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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wusste aber, dass ich ihm nicht entkommen konnte. Ich wusste auch, dass ich ihm im Kampf nicht gewachsen war.
    Er machte mir eine Scheißangst.
    »Wie lange warst du denn weg?«, fragte ich.
    »Jahre, Willie-Boy.«
    »Und wann hast du Ken zum letzten Mal gesehen?«
    Er tat so, als denke er intensiv nach. »Oh, das muss so, na ja, zwölf Jahre her sein. Danach war ich dann im Ausland. Bin einfach nicht mehr auf dem Laufenden.«
    »Mhm.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Du klingst, als würdest du mir nicht glauben, Willie-Boy.« Er kam näher. Ich versuchte, nicht zurückzuzucken. »Hast du Angst vor mir?«
    »Nein.«
    »Dein großer Bruder ist nicht da und kann dich nicht beschützen, Willie-Boy.«
    »Aber wir sind auch nicht mehr in der High School, John.«
    Er sah mir in die Augen. »Glaubst du, die Welt hat sich inzwischen so verändert?«
    Ich versuchte, stehen zu bleiben.
    »Ein bisschen verängstigt siehst du schon aus, Willie-Boy.«
    »Raus hier«, sagte ich.
    Seine Antwort kam aus heiterem Himmel. Er ließ sich zu Boden fallen und senste mir die Beine unter dem Körper weg. Ich fiel auf den Rücken. Bevor ich mich bewegen konnte, hatte er
mich in einem Haltegriff, bei dem er den Ellbogen überdehnte. Das Gelenk stand schon extrem unter Spannung, als er noch zusätzlich auf meinen Trizeps drückte. Der Ellbogen begann, in die falsche Richtung zu knicken. Ein scharfer Schmerz schoss meinen Arm hinab.
    Ich versuchte, mitzugehen. Nachzugeben. Den Druck irgendwie zu vermindern.
    Der Ghost sagte mit der ruhigsten Stimme, die ich je gehört habe: »Sag ihm, er soll aufhören, sich zu verstecken, Willie-Boy. Sag ihm, sonst könnten andere Menschen zu Schaden kommen. Du zum Beispiel. Oder dein Vater. Oder deine Schwester. Oder womöglich die kleine Miller-Braut, mit der du dich heute getroffen hast. Sag ihm das.«
    Die Geschwindigkeit seiner Hand war unheimlich. Mit einer einzigen Bewegung ließ er meinen Arm los und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Meine Nase explodierte. Benommen und mit dröhnendem Schädel fiel ich wieder zu Boden. Vielleicht war ich auch bewusstlos. Ich weiß es nicht mehr.
    Als ich wieder aufblickte, war der Ghost verschwunden.

19
    Squares reichte mir einen Gefrierbeutel mit Eiswürfeln. »Klar, ich müsste erst mal den anderen sehen, oder?«
    »Genau«, sagte ich und legte das Eis auf meine ziemlich empfindliche Nase. »Er sieht aus wie ein Filmstar aus den Fünfzigern.«
    Squares setzte sich auf die Couch und legte die Stiefel auf den Kaffeetisch. »Erzähl.«
    Ich erzählte.
    »Klingt ja echt nett, der Kerl«, meinte Squares.

    »Hab ich schon erwähnt, dass er Tiere quält?«
    »Jau.«
    »Und dass er eine Schädelsammlung im Schlafzimmer hat?«
    »Mann, mit so was kann man bei den Mädels bestimmt wahnsinnig Eindruck schinden.«
    »Ich raff’s nicht.« Ich nahm den Eisbeutel von der Nase. Sie fühlte sich an, als sei sie mit zerstoßenen Pennies gefüllt. »Wieso sucht der Ghost nach meinem Bruder?«
    »Schwierige Frage.«
    »Meinst du, ich soll die Cops anrufen?«
    Squares zuckte die Achseln. »Wie heißt der noch mal?«
    »John Asselta.«
    »Seine aktuelle Adresse hast du wohl nicht parat?«
    »Nein.«
    »Aber er ist in Livingston aufgewachsen.«
    »Ja«, sagte ich. »In der Woodland Terrace. Woodland Terrace siebenundfünfzig.«
    »Du kennst seine Adresse noch?«
    Jetzt zuckte ich die Achseln. So war das in Livingston nun mal. Man erinnerte sich an so etwas. »Was mit seiner Mutter war, weiß ich nicht. Sie ist abgehauen oder so, als er noch ganz klein war. Sein Vater hing an der Flasche. Er hatte zwei größere Brüder. Einer – ich glaub, er hieß Sean – war Vietnam-Veteran. Hatte lange Haare, einen verfilzten Bart und lief die ganze Zeit in der Stadt rum und führte Selbstgespräche. Alle haben ihn für verrückt gehalten. Ihr Garten war eine Art wild zugewucherter Schrottplatz. Das hat den Leuten in Livingston nicht gefallen. Die Cops haben ihnen dafür gerne mal ein Strafmandat gegeben.«
    Squares notierte sich ein paar Details. »Ich guck mir das mal an.«
    Ich hatte Kopfschmerzen. Trotzdem versuchte ich, mich zu
konzentrieren. »Hattet ihr auch so einen in der Schule?«, fragte ich. »So einen Psychopathen, der die Mitschüler nur so aus Spaß gequält hat?«
    »Ja«, sagte Squares. »Mich.«
    Es fiel mir schwer, das zu glauben. Squares hatte mir erzählt, dass er ein übler Rabauke gewesen war, aber der Gedanke, dass er wie der Ghost gewesen sein könnte, dass mir ein

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