Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
finster entschlossen schien, sie wieder zu entzweien, war sie auf einmal bereit, alles daranzusetzen, um verheiratet zu bleiben.
»Ich bin Ians Frau geworden, weil ich mich dazu entschlossen habe«, sagte sie. »Ob wir nun in einem Schloss oder einer winzigen Pension leben, ist mir gleich.«
»Oder einem Pfarrhaus?«, fragte Hart mürrisch.
»Das Pfarrhaus im Armenviertel hat mir gute Dienste geleistet, Eure Hoheit.«
»Dort gab es Ratten«, sagte Ian.
Beth machte ein erstauntes Gesicht. Currys Aufzeichnungen waren offenbar sehr detailliert.
»Tatsächlich gab es in dem Haus auch eine Rattenfamilie«, sagte sie. »Nebukadnezar mit seiner Frau und den drei Kindern: Shadrach, Meshach und Abednego.«
Beide Männer starrten sie wortlos an, doch zwei goldene Augenpaare waren mehr, als Beth ertragen konnte, auch wenn das eine sie nur halb anblickte.
»Wir haben einen Spaß daraus gemacht«, stammelte Beth. »Dadurch wurde die Gesellschaft von Ungeziefer erträglicher.«
»Hier gibt es keine Ratten«, sagte Ian. »Um Ratten musst du dich nie wieder sorgen.«
»Zumindest nicht um die Vierbeinigen«, fügte Beth hinzu. »Inspektor Fellows erinnert mich ein wenig an Meshach. Wenn der es auf einen schmackhaften Käsehappen abgesehen hatte, dann glühten seine Äuglein, und um die Nase zuckte es.«
Ian runzelte die Stirn; Hart wusste nicht recht, was er von ihrem Gerede halten sollte.
»Bestimmt gibt es hier Schlangen«, sagte sie schnell. »Immerhin sind wir hier auf dem Land. Und Feldmäuse und allerlei sonstiges Getier. Ehrlich gesagt bin ich das Landleben nicht gewöhnt. Meine Mutter stammte zwar vom Land, doch ich habe mein ganzes Leben in London verbracht. Nur hin und wieder bin ich aus der Stadt herausgekommen, wenn Mrs Barrington gerade mal wieder ihre Liebe für die See entdeckt hatte und ich sie nach Brighton begleiten durfte.«
Ian hatte die Augen halb geschlossen, seinem Ausdruck nach zu urteilen, hörte er ihr nicht mehr zu. Beth wusste, dass er trotzdem jedes Wort aufnahm.
Endlich zwang sie sich, den Mund zu halten. Hart sah sie bereits an, als würde er sie gleich morgen einer Kommission von Nervenärzten vorstellen wollen.
Ian erwachte aus seiner Trance und nahm ihren Arm. »Morgen führe ich dich überall herum. Heute Nacht schlafen wir in unserem Gemach.«
»Haben wir denn ein Gemach?«
»Curry hat während des Essens unser Schlafgemach hergerichtet.«
»Dieser findige Curry. Was täten wir nur ohne ihn!«
Hart blickte Beth scharf an, als hätte sie etwas Bedeutendes gesagt. Ian legte den Arm um ihre Taille und dirigierte sie Richtung Haus. Sein warmer Körper schützte sie vor dem Wind und vertrieb die abendliche Kühle.
Ein sicherer Hafen. Die Wechselfälle des Lebens hatten ihr nur selten eine Zuflucht beschert. Nun zog Ian sie eng an sich, beschützte sie, und dennoch spürte Beth den ganzen Weg bis zum Haus Harts Blick im Rücken.
Das Haus verschluckte sie. Über eine breite, reich verzierte Treppe führte Ian sie tiefer und tiefer ins Innere.
An den Wänden hingen unzählige Bilder, sodass die dahinterliegende Tapete fast vollständig verdeckt war. Beth versuchte im Vorbeigehen einige der Signaturen zu entziffern: Stubbs, Ramsay, Reynolds. Ein paar Gemälde, auf denen Pferde und Hunde zu sehen waren, stammten von Mac MacKenzie. Der erste Treppenaufsatz wurde von einem Porträt des derzeitigen Herzogs beherrscht, Harts Augen schimmerten ebenso golden und respekteinflößend wie in natura.
Auf Höhe des zweiten Absatzes hing das Porträt eines älteren Mannes, dessen hochmütiger Gesichtsausdruck Harts in nichts nachstand. Eine Hand umfasste eine Falte seines Plaids, und sein Gesicht zierten Koteletten und ein Vollbart.
Vorhin auf dem Weg zum Abendessen hatte Beth das Bild nicht wahrgenommen, doch nun blieb sie davor stehen. »Wer ist das?«
Ian sah nicht einmal hin. »Unser Vater.«
»Oh. Er ist ziemlich … haarig.«
»Deshalb trägt auch keiner von uns Bart.«
Düster betrachtete Beth den Mann, der Ian so viel Leid zugefügt hatte. »Wenn er so abscheulich war, warum nimmt er dann hier einen Ehrenplatz ein? Ab mit ihm auf den Dachboden!«
»Das verlangt die Tradition. Der amtierende Herzog auf dem ersten Absatz, der vorherige auf dem zweiten. Großvater hängt dort oben.« Er deutete hinauf zum nächsten Treppenabsatz. »Unser Urgroßvater noch einen höher und so weiter. Hart würde diese Regeln nie durchbrechen.«
»Wenn man die Treppen hochsteigt, muss man also nach jeder
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