Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
hatte. Unvermittelt schwante ihr, was Alexi ihr damit mitteilen wollte. Er hatte Belinda jahrelang aus ihrem Leben ferngehalten. Jetzt hatte er sie nach Amerika zurückgeschickt.
Eine Woche später begannen die Telefonanrufe. Für gewöhnlich klingelte es gegen zwei Uhr morgens. Sobald Fleur den Hörer abnahm, hörte sie leise Musik im Hintergrund – Barbra Streisand, Neil Diamond, Simon and Garfunkel -, aber niemand sprach. Fleur war sich sicher, dass Belinda die Anruferin war. Auch wenn kein Hauch von Shalimar durch die Telefonleitung wehte.
Sie hängte wortlos auf, aber die Anrufe setzten ihr psychisch zu. Bisweilen sah sie schon Gespenster, vermutete Belinda hinter jeder Straßenecke.
Fleur überredete ihren Bruder, seine Boutique vorübergehend zu schließen. Und engagierte ein angesagtes Team für die Umgestaltung seines Geschäfts mit einem schöneren Verkaufsraum und einer eleganteren Fassade. Über der Tür prangte in knallroten Lettern auf dunkelviolettem Untergrund der Name Michel Savagar.
Sie und Kissy wurden unverzichtbarer Bestandteil der New Yorker Society. Und überall trugen sie Michels traumhafte Kreationen. Sie aßen im Orsini’s, schauten nachher bei David Webb vorbei, wo sie sich für einen funkelnden Klunker entschieden, den eine von ihnen später zurückbrachte, weil er »doch nicht so ganz das Richtige« gewesen sei. Sie kauften bei Helene Arpels neue Abendpumps und tanzten im Club A oder im Regine’s. Und immer trugen sie Exklusivmodelle: transparente Seide, die sich um ihre Hüften bauschte, schmale Wolltuniken mit hoch geschlitzten Seitennähten und paillettenbestickte Abendtoiletten. Schon nach einer Woche erkundigte sich jedes modebewusste New Yorker Partygirl nach Michel Savagars Kreationen. Fleurs Rechnung ging auf: Die Leute waren scharf auf seine Sachen, weil es sie nicht zu kaufen gab.
Fleur und Kissy redeten in der Öffentlichkeit freimütig über Michel. »Meine Großmutter hat ihn mit dem vielen Geld verdorben, das sie ihm vererbte«, räumte Fleur gegenüber Adelaide Abrams auf einem Bankett im Chez Pascal ein, wo sie ein Wickelkleid aus Seidengeorgette mit zart bedruckten Wasserlilien trug. »Leute, die nicht für ihren Unterhalt arbeiten müssen, sind verwöhnt und träge.«
Am nächsten Tag vertraute sie der geschwätzigen Frau eines Kaufhauserben an: »Michel fürchtet, dass seine Kreativität unter der Kommerzialisierung leiden könnte. Aber er arbeitet an irgendetwas, und ich habe Pläne … Ach, lassen wir das.«
Kissy war weniger subtil. »Ich bin mir fast sicher, dass er heimlich eine Kollektion zusammenstellt«, erzählte sie jedem, der es hören wollte. Und dann schob sie ihre süße Zuckerschnute schmollend vor und zupfte an einem ihrer rattenscharfen Minis. »Ich finde es jammerschade, dass er mir nicht vertraut. Neben seiner Schwester bin ich seine beste Freundin, und ich kann ein Geheimnis für mich behalten.«
Während Kissy und Fleur Michels Idealismus und sein Desinteresse an einem kommerziellen Erfolg hervorhoben, arbeitete er achtzehn Stunden am Tag an seiner Kollektion, die er mit dem letzten Geld finanzierte, das ihm von Solange Savagars Erbe noch geblieben war.
Fleur gönnte sich nur noch vier Stunden Schlaf. Wenn sie nicht das strahlende Partygirl spielte, war sie in ihrem Büro, unterhielt sich mit potenziellen Bewerbern, plante ihr offenes Haus und instruierte die letzten Handwerker. Mehrere Schauspieler wollten sich von ihr vertreten lassen, aber sie hatten nicht das Profil, das ihr vorschwebte.
Fleur war zufrieden mit den Umbauarbeiten, wenngleich die architektonische Gestaltung wegen der horizontalen Unterteilung des Hauses eine Herausforderung gewesen war. Die Büroräume befanden sich in dem großzügigen Frontbereich, ihre Privatwohnung in dem kleineren hinteren Anbau. Der Geschäftsbereich war in Schwarz und Weiß gehalten, mit einem Hauch Grau und Indigo. Ihr Chefzimmer und die Rezeption waren im Parterre, die anderen Büros auf einer eingezogenen Empore. Eine Reling und schwarze Art-déco-Elemente auf verchromten Stützpfeilern hielten die Konstruktion, zu der eine geschwungene Freitreppe führte, bei der man jeden Augenblick Fred Astaire und Ginger Rogers tanzend und steppend die Stufen herunterkommen glaubte.
Ihre drei ersten Mitarbeiter waren Will O’Keefe, der sympathische Rotschopf aus North Dakota, ein erfahrener Publizist und Talentscout, und David Bennis, grauhaarig, distinguiert und für die Finanzen zuständig.
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