Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
schlafen.«
Der freitragende Bungalow mit seinen schimmernden Glasflächen sah kaum anders aus als in ihrer Erinnerung. Die ideale Kulisse für die Abschiedsszene, die noch vor ihnen lag. »Eine Rückkehr an den Schauplatz des Desasters?«, sagte sie, als er in die Auffahrt bog.
Er stellte den Motor ab. »Ich persönlich würde es bestimmt nicht als Desaster bezeichnen, dennoch müssen wir ein paar Dämonen bannen, und dies schien mir der passende Ort.«
Während er duschte, zog Fleur einen Badeanzug an. In einen flauschigen Frotteemantel gehüllt, lief sie nach draußen, um die Wassertemperatur im Pool zu testen. Obwohl es vergleichsweise kühl war, schälte sie sich aus dem Bademantel und sprang hinein. Japsend ob der Kälte tat sie ein paar kräftige Schwimmzüge, trotzdem gelang es ihr nicht, die beklemmende Situation auszublenden. Sie kletterte aus dem Becken, wickelte sich in ein riesiges Badetuch und legte sich in einen der Liegestühle in die milde Januarsonne, wo sie prompt einschlief.
Stunden später wurde sie von einer zierlichen Mexikanerin mit schwarz glänzenden Haaren geweckt, mit der Ankündigung, das Abendessen sei fast fertig und ob sie sich nicht vorher noch umziehen wolle. Fleur mied bewusst das große Badezimmer, wo sie sich Jahre zuvor geliebt hatten, und schlüpfte in ein kleineres Gästebad. Nachdem sie geduscht und ihr Haar zurückgesteckt hatte, fühlte sie sich wieder halbwegs fit. Sie entschied sich für eine hellgraue Tuchhose und eine jadegrüne Bluse mit halsfernem Ausschnitt. Bevor sie ihr Zimmer verließ, befestigte sie die Kette an ihrem Hals, die Jake ihr geschenkt hatte, und schob den Anhänger zwischen ihre Brüste. Er sollte nicht sehen, das sie es trug.
Jake war frisch rasiert und ganz akzeptabel gekleidet mit Jeans und taubenblauem Pullover. Die harten Linien um seinen Mund waren jedoch nicht gemildert. Sie hatten beide kaum Appetit, und das Abendessen verlief unangenehm einsilbig. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sich alles wiederholte und dass es auch dieses Mal kein Happy End geben würde. Ihre Liebe zu Jake war und blieb eine einseitige Angelegenheit.
Schließlich servierte die Haushälterin den Kaffee. Sie stellte die Kanne geräuschvoller ab als nötig, ein unterschwelliger Protest, dass man ihr Abendessen verschmäht hatte. Jake gab ihr für den weiteren Abend frei und blieb schweigend sitzen, bis die Hintertür ins Schloss fiel. Dann stand er vom Tisch auf und verschwand. Er kehrte mit einem dicken Umschlag zurück. Sie blickte auf den Umschlag und dann zu ihm. »Du hast das Manuskript tatsächlich fertig gestellt.«
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Ich bin mal kurz weg. Du kannst … Wenn du möchtest, kannst du es lesen.«
Sie riss den Umschlag förmlich an sich. »Bist du auch ganz sicher? Ich meine, ich hab dich zu dieser Sache genötigt. Vielleicht …«
»Komm bloß nicht auf die Idee, die Serienrechte zu verkaufen, während ich weg bin.« Er versuchte ein Lächeln, was jedoch missglückte. »Es ist nur für dich bestimmt, Fleur. Für sonst niemanden.«
»Wie meinst du das?«
»Exakt, wie ich es gesagt habe. Ich habe es für dich geschrieben. Nur für dich.«
Sie kapierte gar nichts mehr. Hatte er sich etwa drei Monate lang mit einem Manuskript abgequält, das nur sie zu lesen bekäme? Mit einem Buch, dessen Veröffentlichung er nie ernsthaft in Erwägung gezogen hatte? Spontan besann sie sich wieder auf das kleine Mädchen in dem Hemdchen mit dem gelben Entenmotiv. Für sein eigenartiges Verhalten konnte es nur eine logische Erklärung geben: Der brisante Inhalt war zu belastend für ihn und daher ungeeignet für eine Publikation. Fleur war plötzlich übel.
Er wandte sich ab. Sie lauschte auf seine Schritte, die in der Küche verhallten. Er ging durch den Hinterausgang, den die Haushälterin kurz zuvor benutzt hatte. Fleur setzte sich mit ihrem Kaffee ans Fenster und spähte hinaus in den lavendelfarbenen Himmel. Er hatte zweimal über die Massaker geschrieben, zunächst eine fiktionale Version für Sunday Morning Eclipse , und jetzt lag die wahre Geschichte vor ihr. Sie dachte an die zwei Gesichter des Jake Koranda. An die brutale Fassade des Bird Dog Caliber und die des sensiblen Dramatikers, der tief in die Abgründe der menschlichen Seele zu blicken schien. Sie hatte Bird Dog bisher für eine Kunstfigur aus seiner Feder gehalten, jetzt kamen ihr Zweifel, ob sie sich da nicht empfindlich täuschte. Zumal sie sich in puncto Jake
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