Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
Pucci.
Nachdem sie auf dem Markt eingekauft hatten, scheuchte Fleur ihre Mutter die steilen Stufen hinauf, die zum Palast führten. Unterwegs verspeiste sie mit gutem Appetit ein Schinkenbaguette. Fleur, die vier Sprachen fließend beherrschte, war besonders stolz auf ihr Englisch, das einwandfrei amerikanisch klang. Sie hatte es von den amerikanischen Konventschülerinnen aufgeschnappt, den Töchtern von Diplomaten, Bankern und Auslandschefs der amerikanischen Tageszeitungen. Dadurch, dass sie sich deren Akzent und Verhalten aneignete, fühlte sie sich zunehmend weniger als Französin.
Eines Tages würde sie mit Belinda nach Kalifornien ziehen. Lieber heute als morgen, aber eine Scheidung kam für Alexi nicht in Frage. Zudem hätte ihre Mutter dann völlig mittellos dagestanden. Fleur wünschte sich dennoch sehnlich, in Amerika zu leben.
»Ich wünschte, ich hätte einen amerikanischen Vornamen.« Sie kratzte sich einen Mückenstich am Knie und biss dabei in ihr Schinkenbrot. »Fleur – wie blöd sich das anhört! Der Name ist völlig abgehoben. Und total albern für eine ungelenke Bohnenstange wie mich. Nenn mich doch einfach Frankie.«
»Igitt, Frankie ist scheußlich.« Belinda sank auf eine Bank und japste nach Luft. »Weißt du, es gab mal einen Mann, den ich sehr mochte. Und Fleur klingt so ähnlich wie sein Name. Fleur Deanna ist ein sehr hübscher Name für ein hübsches Mädchen wie dich.«
Belinda beteuerte ständig, Fleur sei hübsch, aber das war glatt geschwindelt. Ihre Tochter wechselte das Thema. »Ich hasse es, meine Periode zu bekommen. Ekelhaft.«
Das Mädchen zog eine missbilligende Grimasse, woraufhin ihre Mutter lachte. Dann deutete sie mit dem Zeigefinger in Richtung Palast. »Ob Grace Kelly da oben wohl glücklich ist?«
»Natürlich ist sie glücklich. Sie ist jetzt Fürstin. Und eine der berühmtesten Frauen der Welt.« Belinda zündete sich eine Zigarette an und schob die Sonnenbrille auf den Scheitel. »Du hättest sie in Der Schwan sehen sollen, mit Alec Guinness und Louis Jourdan. Grundgütiger, sie war traumhaft schön.«
Fleur streckte die langen Beine aus. Sie waren mit feinem, hellem Flaum bedeckt und leicht gerötet von der Sonne. »Er ist schon ziemlich alt, nicht?«
»Männer wie Rainier kennen kein Alter. Zudem ist er sehr kultiviert und charmant.«
»Du hast ihn persönlich kennen gelernt?«
»Letzten Herbst war er bei uns zum Essen eingeladen.« Belinda setzte die Sonnenbrille wieder auf die Nase.
Fleur grub die Absätze ihrer Sandaletten in den Stra ßenstaub. »War er auch dabei?«
»Gib mir doch mal die Oliven, Baby.« Belinda deutete mit einem zyklamrot lackierten Fingernagel auf ein Pappschälchen.
Fleur reichte es ihr.
»Natürlich war Alexi auch dabei. Er besitzt Immobilien in Monaco.«
»Ihn meinte ich nicht.« Unvermittelt war Fleur der Appetit vergangen, und sie verfütterte ihren Baguetterest an die Enten. »Ich meinte Michel.« Sie betonte den Vornamen ihres dreizehnjährigen Bruders in der französischen Variante, da er in Amerika für Mädchen gebräuchlich war.
»Michel war da. Er hatte am nächsten Tag schulfrei.«
»Ich hasse ihn. Das kannst du mir glauben.«
Belinda stellte das Schälchen mit den Oliven ungeöffnet beiseite und zog hektisch an ihrer Zigarette.
»Ist mir völlig egal, ob er mein Bruder ist«, fuhr Fleur fort. »Ich hasse ihn noch mehr als Alexi. Es ist so ungerecht! Michel hat alles.«
»Er hat mich nicht, Kleines. Vergiss das nicht.«
»Und ich habe keinen Vater. Trotzdem ist es nicht dasselbe. Michel kommt nach der Schule nach Hause. Und kann bei dir sein, ich nicht.«
»Wir wollten uns doch eine schöne Zeit machen, Herzchen. Lass uns über angenehmere Dinge reden.«
Fleur mochte sich nicht ablenken lassen. »Ich kann Alexi nicht verstehen. Wie kann jemand ein Baby hassen? Okay, jetzt wo ich älter bin … Aber doch nicht, als ich eine Woche alt war.«
Belinda seufzte. »Wir haben das schon so oft durchgekaut, Baby. Es liegt wirklich nicht an dir. So ist er nun mal. Meine Güte, jetzt hätte ich gern einen Drink.«
Obwohl Belinda es ihr zigmal erklärt hatte, blieb Fleur uneinsichtig. Wieso wollte Alexi bloß Söhne haben? Wieso gab er seine Tochter weg und besuchte sie nicht ein einziges Mal? Belinda erklärte es damit, dass Alexi eben ungeheuer konsequent sei und es sich selbst nicht verzeihen könne, dass er ein Mädchen in die Welt gesetzt habe. Und nach Michels Geburt hatte er sie völlig abgeschrieben.
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