Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
telefoniert hatte, empfing der Produzent sie hinter der aufgebauten Kulisse. »Fleur, Schätzchen! Schön, dich zu sehen.« Nach einem Begrüßungskuss auf die Wange schielte er bewundernd auf ihre endlos langen Beine, die der Mini enthüllte. Fleur hatte Spano direkt gemocht, als sie sich in New York getroffen hatten, vermutlich weil er auch so ein Pferdenarr war wie sie. Er führte sie zu einer Reihe schallisolierter Türen. »Der Dreh fängt gleich wieder an. Komm, ich nehm dich mit rein.«
Auf dem von Scheinwerfern grell ausgeleuchteten Set war Matts Küche in Iowa aufgebaut. In der Mitte stand Johnny Guy Kelly und diskutierte angeregt mit Lynn David, der zierlichen brünetten Schauspielerin, die Matts Frau DeeDee spielte. Dick Spano deutete auf einen Regiestuhl. Fleur setzte sich. Und musste den Impuls unterdrücken, auf der Rückseite nachzuschauen, ob auf dem Segeltuch ihr Name stand.
»Fertig, Jako?«
Jake trat in die gleißende Helligkeit.
Das Erste, was Fleur wahrnahm, war sein ungewöhnlicher Mund, weich und voll wie bei einem Baby. Aber das war auch das einzig Kindliche an ihm. Mit seinem lässigen Hüftschwung und den leicht eingezogenen Schultern wirkte er eher wie ein abgekämpfter Cowboy, nicht wie ein Drehbuchautor und Filmstar. Das glatte, braune Haar war kürzer geschnitten als in den Caliber-Filmen, in natura sah er noch größer und schlanker aus als auf der Leinwand. Aber kein bisschen sympathischer, fand sie.
Dank Belinda wusste Fleur mehr über ihn, als ihr lieb war. Obwohl er die Presse hartnäckig mied und selten Interviews gab, waren gewisse Fakten ans Licht gekommen. Geboren als John Joseph Koranda, war er in der schlimmsten Gegend von Cleveland, Ohio, aufgewachsen. Seine Mutter hatte tagsüber Wohnungen geputzt und nachts Büroräume. Als Jugendlicher war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ladendiebstähle und Kleinkriminalität – mit dreizehn hatte er heimlich ein Auto kurzgeschlossen und eine Spritzfahrt unternommen. Wenn Reporter ihn darauf ansprachen, wie er sein Leben dennoch in den Griff bekommen habe, verwies er sie auf seine sportlichen Auszeichnungen. »Ich war halt ein Ass im Basketball«, lautete seine Begründung. Er weigerte sich jedoch, über seinen Studienabbruch, seine kurze Ehe oder seinen Militärdienst in Vietnam zu sprechen. Sein Privatleben gehe niemanden etwas an, betonte er.
Johnny Guy bat um Ruhe, und am Set wurde es mucksmäuschenstill. Lynn David stand mit gesenktem Kopf vor Jake, der sie mit harten, blauen Augen und ärgerlich aufgeworfenen Lippen fixierte. Johnny Guy rief »Action«.
Jake lehnte sich mit einer Schulter an den Türrahmen. »Du bist und bleibst ein Flittchen, DeeDee.«
Fleur knetete die Hände in ihrem Schoß. Sie drehten gerade eine der dramatischeren Sequenzen: Matt hat festgestellt, dass DeeDee ihn betrügt. Im Schneideraum würde diese Szene mit Kurzeinblendungen des Massakers unterlegt werden, das Matt in einem vietnamesischen Dorf erlebt hatte. Die Bilder in seinem Kopf führen dazu, dass er die Kontrolle über sich verliert und DeeDee schlägt, eine makabre Wiederholung der Gewalt, deren Zeuge er geworden ist.
Jake schritt über den Küchenboden, jeder Muskel seines Körpers hart vor Anspannung. In einer kleinen, hilflosen Geste umklammerte DeeDee ein Kettchen, das er ihr geschenkt hat. Sie war so winzig neben ihm, eine fragile, kleine Puppe, die er jeden Augenblick zerbrechen konnte. »Du irrst dich, Matt. Es war alles ganz anders.«
Unvermittelt schoss seine Hand vor und riss ihr die Kette vom Hals. Sie schrie auf, versuchte sich von ihm loszureißen, aber er war schneller. Er schüttelte sie, und sie begann zu weinen. Fleurs Mund war plötzlich staubtrocken. Sie fand diese Szene abstoßend brutal.
»Schnitt!«, brüllte Johnny Guy. »Wir brauchen einen Schatten hinter dem Fenster.«
»Ich dachte, wir würden diese Sequenz in einem Dreh abfeiern«, dröhnte Jakes ärgerliche Stimme über den Set.
Fleur hätte sich keinen schlimmeren Tag aussuchen können. Herrje, wie konnte sie diesen Film machen! Zu allem Überfluss mit diesem Jake Koranda. Wieso nicht mit Robert Redford oder Burt Reynolds oder irgendeinem anderen netten, sympathischen Schauspieler? Wenigstens gab es keine Einstellungen, wo Jake sie schlagen müsste. Aber das war nur ein schwacher Trost angesichts der anderen heiklen Szenen, die sie mit ihm würde drehen müssen.
Johnny Guy bat um Ruhe. Eine Maskenbildnerin befestigte das Kettchen erneut an Lynns
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