Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
sagt Dad mit einem Anflug von Verständnis, »aber ...«
»Ich habe getrauert. Sie war mein kleines Mädchen. Mein Baby!«
»Wir alle haben getrauert. Du warst nicht die Einzige.«
Später an diesem Abend spricht Dad sehr ruhig mit Nicholas und mir. Er gibt uns einen Zettel mit Mums vorläufiger Adresse und Telefonnummer und versucht, uns verständlich zu machen, er habe nichts dagegen, wenn wir sie besuchen wollen. Immerhin sei sie unsere Mutter. Er würde ihr dabei helfen, eine neue Bleibe zu finden, und dann könnten wir uns entscheiden, bei wem wir wohnen wollen. Er sagt, er würde jede Wahl voll und ganz unterstützen.
Ehe ich zu Bett gehe, klopfe ich an Nicks Tür.
Er trägt die schwarz-roten Boxhandschuhe, die Dad ihm letzte Weihnachten geschenkt hat, und malträtiert seinen Punchingball. Seine Stirn glänzt vor Schweiß.
»Darf ich auch mal?«, frage ich.
Atemlos hält er inne, streift sich die Handschuhe ab und reicht sie mir, doch es ist zu spät. Ich habe bereits angefangen, auf den Ball einzudreschen. Immer und immer wieder schlage ich zu.
Nicholas verzieht sich erschrocken in eine Ecke.
Am nächsten Morgen wache ich mit wundem Herzen und roten, abgeschürften Fingerknöcheln auf.
43
»Hallo, Gilly«, begrüßt mich Tanya am Empfang meines Fitnessstudios.
Sie hat bemerkt, dass ich in der vergangenen Woche jeden Tag da war, und wir haben uns freundschaftlich unterhalten, wann immer sie meine Karte durch das Lesegerät gezogen hat.
»Wir bieten einen neuen Wochenend-Kurs an«, informiert sie mich.
»Worin denn?«, will ich wissen.
»Hi, Gilly«, sagt plötzlich jemand hinter mir.
Ich drehe mich um, und vor mir steht Ed im Trainingsanzug.
»Können wir miteinander reden?«
Tanya wirft uns einen neugierigen Blick zu, ehe sie uns bittet, ein Stück beiseitezugehen und ein anderes Mitglied vorbeizulassen.
Ed und ich gehen nach oben in das kleine angeschlossene Café.
Ich rieche das vertraute Aftershave und stelle fest, dass sein Haar geschnitten werden müsste.
Er holt mir ein Glas Orangensaft und scheint so nervös zu sein wie ich.
»Glückwunsch«, sage ich. »Ich habe gehört, du hast geheiratet.«
»Ich habe Mist gebaut, nicht wahr?«
Ich nicke.
Er rührt einen Löffel Zucker in seinen schwarzen Kaffee.
»Es tut mir leid. Wirklich leid. Aber es war so ...«
Ich warte.
»Ich musste es beenden. Ich habe dich wirklich geliebt«, sagt er leise, weil um uns herum zu viele Leute sitzen. Ich weiß, was er als Nächstes sagen wird, denn inzwischen ist es auch mir längst klar geworden. »Aber ich glaube, unsere Liebe ist irgendwann am Alltag erstickt.«
»Kickboxen«, sagt Tanya, als ich sie nach dem Gespräch mit Ed erneut nach dem neuen Kurs frage, und reicht mir einen Zettel mit den Anfangszeiten.
Ich muss lächeln. Ich und Boxen? Eher nicht. Aber dann fällt mir Nancy ein. Ich stecke den Zettel in meine Sporttasche und sage Tanya, ich würde darüber nachdenken.
44
»Morgen«, grüßt mich Sam, als ich mich in der Früh zu meinen Hundefreunden unter der Eiche geselle.
Mari ist heute schon von fern zu erkennen. Sie trägt einen roten Mantel und hat sich eine Pfauenfeder ins dunkle Haar gesteckt. Sie sieht aus wie ein exotischer Vogel.
»Wo warst du?«
Ich traue mich nicht zuzugeben, dass ich Angst davor hatte, Guy zu begegnen, und deshalb drei Tage lang den Park gemieden hab. Stattdessen war ich im Fitnessstudio und bin mit Ruskin zu anderen Zeiten spazieren gegangen.
»Der Mützenmann ist nicht da«, sagt Mari, als sie sieht, wie ich hektisch die Umgebung absuche.
Seit Flora zurück ist, habe ich Guy nicht mehr gesehen.
»Du siehst müde aus«, stellt Sam fest. »Geht es dir gut?«
Erleichtert, eine Ausrede zu haben, erzähle ich die Jack-Story. Alle drängen sich um mich.
»Warte, warte!«, keucht Mari. »Er hat Nancy echt geküsst?«
»Die treulose Tomate«, erklärt Walter.
»Meine Güte, er hat eine Tochter!«, staunt Sam.
»Halt!«, ruft Ariel, der ein wenig später dazugekommen ist. »Macht bloß nicht ohne mich weiter!« Hastig hebt er Pugsy aus dem Fahrradkorb. »Worum geht es?«, erkundigt er sich atemlos.
Ich fasse die Geschichte für Ariel kurz zusammen und ende damit, dass Jack bei seiner Mutter wohnt.
»Ich kann es kaum fassen«, sagt Ariel und nimmt mich in die Arme. »Dieses Ekelpaket! Alle Männer sind Ekel«, fügt erhinzu. »Deswegen halten wir uns auch lieber an Hunde. Komm, Pugsy, gib Tante Gilly einen Kuss. Du musst sie ein bisschen
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