Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
machte sie mir ein Zeichen, legte den Finger auf die Lippen und kauerte sich neben das Spülbecken. »Komm her, Liebchen«, flüsterte sie.
Ruskin hatte sich tatsächlich in den schmalen Ritz zwischen Waschmaschine und Trockner gequetscht und kam erst nach viel gutem Zureden hervor. An seinen Ohren hingen Spinnweben.
»Ich glaube, ich kann ihn nicht behalten«, sagte ich mit bebender Stimme.
Ich hatte mir einen Hund gewünscht, seit ich klein war. Immer wieder hatte ich meine Mutter angebettelt, doch sie war der Meinung gewesen, dass sie mit einem Hund und Megan überfordert wäre. »Und außerdem wäre ich irgendwann diejenige, die mit ihm spazieren gehen müsste«, hatte sie erklärt.
Ich schwor mir, sofort einen Hund anzuschaffen, sobald ich alt genug wäre und eine eigene Wohnung hätte. Als ich das Tierheim in Battersea besuchte, war Ruskin einer der ersten Hunde, die ich erblickte. Er lag zusammengerollt in seinem Körbchen und schlief tief und fest. Als ich mich vor den Käfig kniete, öffnete er die Augen, tapste auf mich zu und steckte eine Pfote durch die Gitterstäbe. Als das Mädchen, das mich herumführte, sagte, dass er das noch nie zuvor getan hätte, wusste ich, dass er mein Hund war.
»Vielleicht habe ich ja einen Fehler gemacht«, beichtete ich Gloria an diesem Abend. Das Gefühl von Verantwortung lastete plötzlich zu schwer auf mir.
Aber Gloria legte mir nur das winzige Fellbündel in die Arme. »Du bist jetzt seine Mama. Er braucht dich.«
»Hi, mein Schatz«, begrüßt sie mich, stolziert in mein Wohnzimmer und wirft ihren Badeanzug auf mein Sofa. Ruskin stürmt begeistert auf sie zu und stürzt sich unter fröhlichem Schwanzwedeln in ihre Arme. »Wieso bist du nicht fertig?«, fragt sie, als sie sieht, dass ich noch in meinem Schlafanzug herumlaufe.
Schnell setze ich mich wieder an den Computer. »Hübsche Flip-Flops«, murmle ich.
»Toll, nicht wahr? Sie sind unheimlich bequem und trainieren meine Beine – ehrlich gesagt tun sie fast alles für mich – außer meine Rechnungen zu bezahlen. Was machst du da?«
»Ich verändere mein Profil.«
Gloria zieht sich einen Stuhl heran. »Noch kein Glück gehabt?«
»Nicht einen einzigen Interessenten!«
»Dabei hätte ich gedacht, dass man sich um dieses Zimmer reißt. Zumindest hätte der eine oder andere anbeißen müssen.«
»Aber Untermieter sind doch keine Fische.« Ich muss lachen.
»Rutsch rüber«, befiehlt sie. »Lass mich mal sehen.«
Gloria überfliegt meine Anzeige.
»Vielleicht liegt es ja an den Schulferien«, sage ich. »Im August ist in London nie viel los.«
Gloria liest laut den Text vor, mit dem ich meine Nummer 21 angepriesen habe. »Ich wohne in Hammersmith, in einem Vier-Zimmer-Haus in einer ruhigen Seitenstraße.« Sie klickt den Button »Ändern« an. »Jetzt gehen wir es einmal etwas kreativer an, Gilly.«
Ich schaue auf die Uhr. »Und was ist mit dem Schwimmen?« Gloria und ich schwimmen dreimal die Woche und nennen uns »die Olympioniken«. Zwar werden wir häufig von schnelleren Schwimmern überholt, doch das stört uns nicht im Geringsten.
»Setz Teewasser auf«, sagt sie, bevor sie unsere Straße als lebhaft mit freundlicher, gewachsener Nachbarschaft beschreibt.
»Aber die Wochenendheimfahrer wollen es doch bestimmt eher ruhig haben, oder etwa nicht?«
»Ach was! Kein Wunder, dass sich noch niemand gemeldet hat. Die Formulierung des Inserates ist so kalt wie ein Wintertag in Sibirien.«
»Wirklich?« Ich lese den Text noch einmal durch und muss zugeben, dass selbst ich nicht bei mir einziehen würde. Die Beschreibung klingt stinklangweilig.
Gloria schürzt die Lippen und stürzt sich mit Feuereifer in die Arbeit. »Sieh einmal hier! Hast du dir das mal angeschaut?« Hoch motiviert klickt sie einen Button an, der auf eine Webseite führt, auf der beschrieben wird, worauf es den meisten Wochenendheimfahrern ankommt.
»Sie möchten unter Leuten sein«, stellt Gloria fest. »Siehst du? Sie wollen Spaß haben.« Laut liest sie vor, was ich geschrieben habe: »In Laufweite befinden sich einige Pubs.«
»Aber es gibt doch ein paar in der Nähe.« Ich lächle scheinheilig.
»Himmel, ich kann meine Begeisterung kaum im Zaum halten.«
»Okay, dann ändere es und schreib eben, dass sich in Laufweite ein paar hervorragende Pubs befinden. Außerdem zahlreiche Cafés, Feinkostläden und Geschäfte.« Allmählich fängt das Texten an, mir Spaß zu machen. »Und ein toller Park liegt gleich vor der
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