Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
werden nicht lange brauchen«, versuche ich zu scherzen. »Das hier ist das Wohnzimmer, wie Sie sehen.«
»Hübsch«, lobt er.
Mit Ruskin im Gefolge zeige ich ihm die Gästetoilette im Erdgeschoss, bevor das Bad in der oberen Etage an der Reihe ist. Abrupt bleibe ich stehen, als mir einfällt, dass ich vergessen habe, die Wäsche abzuhängen, die auf der Leine über der Badewanne trocknet. Mehrere Reihen Höschen leuchten ihm entgegen.
»Entschuldigen Sie.« Ich werde rot. »Hier geht es weiter«, sage ich und schiebe ihn vorwärts.
»Keine Sorge«, zwinkert er mich wieder an, »es ist nicht das erste Mal, dass ich Damenwäsche zu Gesicht bekomme.«
Himmel!
»Was arbeiten Sie, Roy?«
»Ich bin Lehrer. Mathe und Naturwissenschaften.«
Sofort schrillen bei mir alle Alarmglocken. Lehrer arbeiten nicht gerade lang, und ich will niemanden, der ab fünf Uhr nachmittags bei mir herumsitzt. Eigentlich hätte ich am liebsten jeden Monat einen Scheck – schön diskret in den Briefkasten –, aber ohne irgendeinen Roy oder sonstigen Bewohner, den ich für diese Bezahlung in Kauf nehmen muss.
»Ich bin an eine Schule in Ealing versetzt worden, aber meine Frau hatte keine Lust auf den Umzug. Und jeden Tag von Devon aus zu pendeln, das wäre zu weit.«
»Verstehe«, sage ich, aber alles, was ich vor mir sehe, ist Roy, der auf meiner Couch sitzt und Hefte korrigiert.
Ich zeige ihm das Gästezimmer. Ein kleiner Raum, an dessen Wand ein Bild mit einem spanischen Olivenhain hängt. Das Fenster hat Läden, und in der Mitte des Zimmers steht ein Doppelbett mit blau gepunktetem Überwurf. Roy setzt sich darauf.
»Bequem.« Er lächelt auffordernd.
Ich vermeide es, ihn anzuschauen. Was tue ich hier überhaupt? Jedenfalls werde ich ihm auf keinen Fall mein Schlafzimmer zeigen. Irgendwie finde ich ihn widerlich, aber mit welcher Begründung soll ich ihn als Untermieter nur ablehnen? Vielleicht kann ich ihm erklären, dass er von Zeit zu Zeit das Bett mit meinem Vater teilen muss, der an Darmproblemen leidet. Und an Inkontinenz. Und dass mein Vater deshalb immer auf der Seite schlafen muss, die dem Bad am nächsten liegt. Ja, das müsste gehen.
Roy springt auf und reibt sich eifrig die Hände. »Wie wäre es, wenn ich morgen einzöge?«
»Morgen?« Meine Stimme klingt schrill.
»Warum denn nicht, oder wann würde es der Dame des Hauses gefallen?«
»Tja, Roy, ich bin mir nicht ganz sicher, aber es ist so ...«
»Das Leben mit mir ist nicht sehr kompliziert«, unterbricht er mich. »Sie werden kaum bemerken, dass ich überhaupt da bin. Wenn ich von der Arbeit komme, will ich nur noch meineSchlabberhosen anziehen und chillen – Sie wissen schon«, sagt er und zwinkert schon wieder. Bei ihm scheint ein Zwinkern gleich das nächste zu bedingen. Es ist wie eine Epidemie.
Ausgerechnet in diesem kritischen Moment vibriert das Handy in meiner Tasche. Ich habe eine SMS erhalten. Daher bitte ich Roy, mich für einen Augenblick zu entschuldigen, verlasse das Gästezimmer und gehe nach unten. Die Nachricht ist von Anna.
»Wie läuft es mit Mister X?«
Ich beschließe, sie später zurückzurufen. Erst einmal muss ich diese Sache hier zu Ende bringen. Ich höre, dass Roy die Treppe heruntersteigt.
»Komm sofort rüber«, tippe ich hastig eine SMS an Gloria, »und tu so, als wärst du an Nr. 21 interessiert.«
Absenden.
Roy betritt das Wohnzimmer und macht es sich auf meinem Sofa bequem, als an meine Haustür geklopft wird.
»Tut mir leid, Roy. Ich wollte Ihnen gerade sagen, dass es natürlich noch andere Interessenten für das Zimmer gibt ...«
»Oh!« Er springt auf und lässt die Zeitschrift auf den Boden fallen. »Geht klar, ich hole nur eben mein Fahrrad.«
Mit schlechtem Gewissen sehe ich zu, wie er sein Rad über meinen Teppich schiebt, gehe dann aber in mich: Könnte ich mit jemandem zusammenwohnen, der »Schlabberhosen« sagt? Nein, vermutlich nicht. Und Ruskin sicher auch nicht.
Ich öffne die Haustür, und Gloria stürmt herein. Sie trägt ein formloses T-Shirt, schwarze Leggins und Flip-Flops und hat ihr silbernes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie könnte nicht weniger nach einer Wochenendheimfahrerin aussehen.
Ich schüttle ihr die Hand. »Ich bin sofort bei Ihnen«, sage ich und forme ein »Danke« mit den Lippen.
»Was für ein wunderhübsches Haus!«, ruft sie begeistert. »Ich nehme das Zimmer.«
Roy schiebt sein Rad an uns vorbei.
»Würden Sie mir bitte so bald wie möglich Bescheid
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