Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
wälzen sich dicke Gewitterwolken über den Augusthimmel. Die Schaukeln auf dem Spielplatz tropfen, Ruskin platscht selig durch die Pfützen.
Ein Stück entfernt sehe ich jemanden mit Mütze, Laufschuhen und Cordjacke. Das kann nur er sein! Mein Herz hüpft, als ich sehe, wie er seinem Hund im Kreis hinterherjagt.
»Trouble!«, ruft er verzweifelt.
Als ich zu ihm aufschließe, beschnüffeln sich Trouble und Ruskin auf die übliche Weise, doch dann geht Ruskin einen Schritt zu weit. In meinem Alter sollte man natürlich über solchen Dingen stehen, doch ich ertappe mich dabei, wie ich Ruskin verlegen von Trouble hinunterschubse. Der Mützenmann lacht und sagt, dass die beiden doch nur Huckepack spielen würden. Ich frage ihn, was er an einem so scheußlichen Nachmittag draußen im Park mache.
»Das könnte ich dich genauso fragen«, sagt er, ehe er antwortet. »Ich versuche, Trouble zu trainieren. Aber wie du siehst, hat sie kein Interesse.«
Ich erinnere mich an die Welpenschule vor vielen Jahren und bin sofort in meinem Element. »Versuch es mit Leckerli. Bestechung funktioniert immer noch am besten. Selbst heute muss ich nur das Wort ›Huhn‹ oder ›Eichhörnchen‹ aussprechen, und Ruskin ist bei Fuß. Pass auf.«
Ich demonstriere ihm das Kunststück, und er ist beeindruckt, wie schnell Ruskin mit gespitzten Ohren vor mir sitzt.
»Leider habe ich deinen Namen vergessen«, sage ich zu ihm.
»Guy. Nett, dich kennenzulernen.«
Er schüttelt mir die Hand.
»Ich heiße Gilly«, sage ich. »Mit G. – Vorsicht!«, quietsche ich, greife nach Ruskins Halsband und ziehe ihn nah an michheran. »Ich an deiner Stelle würde auch Trouble rufen. Vor diesem Mann muss man sich in Acht nehmen«, warne ich.
»Wo?«
»Auf elf Uhr.«
Guy dreht sich um und entdeckt endlich auch den Mann mit grauem Bart und einer Figur wie der Weihnachtsmann, der kämpferisch um eine Ecke biegt. Er trägt eine Armeehose und etwas, das wie eine kugelsichere Weste aussieht. Hinter ihm trottet ein großer schwarz-weißer Hund an einer Leine, die einer Häftlingskette ähnelt.
»Danke für den Tipp«, flüstert Guy, als er Trouble sicher an seiner Seite weiß. »Ist das ein Hund oder ein Wolf?«
Ich lache. »Die meisten Hunde sind freundlich«, sage ich, »Sorgen muss man sich eher um ihre Besitzer machen.«
»Wie man deutlich sehen kann. Dem Kerl möchte ich nicht im Dunkeln begegnen.«
»Wie alt ist Trouble?«
»Neun Monate. Aber sie gehört nicht mir.«
»Sondern?«
»Sie ist der Hund meiner Freundin.«
»Ach so.«
Wie konnte ich auch nur die Hoffnung hegen, dass er Single sein könnte? Niemand ist Single, außer Harvey mit dem Taschenrechner und – mir.
»Sie ist verreist.«
»Tatsächlich? Beruflich?«
»Ferien«, erwidert er peinlich berührt und rückt seine Mütze zurecht. »Aber das ist eine lange Geschichte. Wie dem auch sei«, fügt er hinzu, »mein Leben wäre keinen Pfifferling mehr wert, würde Trouble etwas passieren, während sie unterwegs ist.«
Ich lächle und erzähle ihm von meinen ersten Erfahrungen mit Ruskin und wie verrückt ich mich machte, als ich ihn als Welpe das erste Mal von der Leine ließ. Kaum hatte ich den Haken gelöst, war er geradewegs zum Teich gerannt, an dem ein kleines rothaariges Mädchen Tauben fütterte. Ruskin sprangdas Mädchen an und schnappte nach dem Brot in ihren dicklichen Fingerchen. Die Mutter schrie mich an, ich blies wie verrückt in meine Hundepfeife, das Mädchen jammerte, Ruskin kaute glücklich an seinem ergatterten Brotkanten – und dann schritt Ed endlich ein.
»Ed?«, fragt Guy, dem die Geschichte anscheinend gefallen hat.
»Ein damaliger Freund. Er war mein ...« Nein. Ich verwerfe die Idee, Guy die traurige Episode meines Lebens zu erzählen, die gestern mit Eds Hochzeit unwiderruflich geendet hat. »Das ist eine lange Geschichte.« Ich lächle.
In diesem Augenblick beginnt es zu schütten. Guy und ich sprinten durch den Park und durchqueren das Eingangstor. Auf dem Fußgängerüberweg bleiben wir stehen, sodass ein Autofahrer hupt.
»Lust auf einen Kaffee?«, fragen wir gleichzeitig.
Der Regen rinnt über unsere Gesichter.
»Klar«, antworten wir wieder unisono.
»Komm«, sagt Guy.
Wir nehmen uns bei den Händen und rennen mit unseren Hunden den Bürgersteig entlang. Lachend weichen wir den Pfützen aus.
*
Am Abend packe ich Ruskin ins Auto und besuche mit selbst gemachter Lasagne zum Einfrieren meinen Vater. Dad wohnt nach wie vor am Regent’s Park,
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