Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
versuchen Guy und ich, unsere Freundschaft zu rechtfertigen. Wir wissen, dass unsere Freunde und die Leute meiner Hundegruppe über uns reden. Anna behauptet, dass kein Tag vergeht, an dem ich nicht über Guy spreche.
Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass wir uns in einer ähnlichen Situation befinden. Keiner von uns hat Familie; Guy ist allein, ich bin Single. Zwar sind die Gründe dafür unterschiedlich, aber die Situation ist die gleiche. Anna versteht mich immerhin besser als die meisten, denn wir denken ähnlich über unsere verheirateten Freunde. Zwar mögen wir sie nach wie vor, aber wir befinden uns an einer Art Kreuzung, die uns in unterschiedliche Richtungen führt. Es ist ganz natürlich, dass ich Freundinnen wie beispielsweise Susie nicht mehr so oft wie früher zu Gesicht bekomme.
Guy ergeht es ähnlich. Viele seiner Freunde, die Familie haben, sind aufs Land gezogen, weil dort die Lebensqualität besser ist. Aber manchmal hat man einfach keine Lust, London am Wochenende den Rücken zu kehren, und auch ständig unterbrochene Gespräche durch Kinder sind nicht immer unser Ding.
»Wenn ich mit Susie telefoniere, sagt sie plötzlich mittendrin so was wie: ›Rose! Wirst du wohl die Finger aus dem Auge deines Bruders nehmen!‹«
Guy lacht.
»Oder Matilda unterbricht mich und sagt: ›Zeig mir deine Möpse‹, wenn ich versuche, ihr eine Gutenacht-Geschichte vorzulesen.« »Möpse« ist im Moment ihr Lieblingswort. »Matilda ist übrigens meine Nichte«, füge ich hinzu.
Guy hebt die Augenbrauen. »Irgendwie ist Matildas Idee nicht wirklich unsympathisch«, sagt er.
Nach dem Kaffee bitte ich Guy, mit mir zum Schreibtisch zu gehen, der in einer Ecke des Wohnzimmers steht. Er ist ein Erbstück und gehörte der Mutter meines Vaters. Ich ziehe die unterste Schublade heraus und reiche ihm einen Stapel Papier. Er liest die Überschrift auf dem obersten Blatt: Micky, das Zauberäffchen .
»Ah, das sind deine Geschichten für Megan, nicht wahr?«
Ich nicke. Ich war dreizehn, als ich sie zum ersten Mal aufgeschrieben habe. Sie seien noch nicht fertig, erkläre ich ihm. Bisher seien es nur Entwürfe.
Ich erzähle ihm, dass ich als Kind gerne gelesen habe. Manchmal habe ich mich dafür in mein Zimmer eingeschlossen.
»Für mich war das eine Art Flucht. Ich träumte mich in eine Welt, die viel schöner war als unser Zuhause. Vor allem die Geschichten von Daphne du Maurier habe ich geliebt. Manchmal warf ich Pennys in den Wunschbrunnen neben unserer Kirche und betete darum, so wie sie zu werden. Wild, fantasievoll. Außerdem hatte sie viele Affären sowohl mit Männern als auch mit Frauen. Eine faszinierende Frau!«, schwärme ich mit klopfendem Herzen. »Eines Tages würde ich gern einen Roman schreiben.«
»Und was hindert dich daran?«
»Was mich daran hindert?«
»Genau.«
Guy schaut mich an, als sei ihm gerade ein Licht aufgegangen.
»Am Schreiben? Keine Ahnung.«
»Ich habe fast den Eindruck, als hättest du Angst. Angst, nicht gut genug zu sein.«
Ich werfe ihm einen Blick zu und frage mich, warum er mich so gut kennt.
»Ich weiß es wirklich nicht, Guy. Es ist ziemlich schwierig, vom Schreiben zu leben. Wenn ich mehr Zeit hätte – vielleicht ...«
»Zeit? Gilly, du hast alle Zeit der Welt!«
Ich gestehe ihm, dass Nicholas mir schon einmal das Gleiche gesagt hat.
»Und dein Bruder hat absolut recht. Wenn du im Leben etwas erreichen willst, musst du selbst etwas dafür tun.«
Ich erzähle, dass Ed immer zu sagen pflegte: »Dazu hast du nicht genügend Selbstdisziplin, Gilly. Ich glaube kaum, dass du bei der Stange bleiben würdest. Mach es lieber zu deinem Hobby, Schatz.«
Guy sieht verärgert aus. »Ganz schön gönnerhaft.« Er dreht mich zu sich um. »Du musst fester an dich glauben«, insistiert er. »Die Leute lieben es, andere runterzumachen. Beweise ihnen, dass sie sich irren.«
Nachdem sich Guy mit Trouble verabschiedet hat, setze ich mich an meinen Schreibtisch, öffne die unterste Schublade – die Schublade, die meine geheime Ambition enthält – und beschließe, dass es an der Zeit ist, mir selbst eine Chance zu geben.
Am frühen Abend, ich bin zutiefst konzentriert, klingelt es an der Haustür. Ich spähe aus dem Fenster. Soll ich vielleicht so tun, als sei ich nicht zu Hause? Ich habe keine Lust, mich mit den Zeugen Jehovas zu unterhalten oder jemanden abzuwimmeln, der mir besondere Staubtücher verkaufen will. Aber dann huscht ein Lächeln über mein Gesicht.
»Ich
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