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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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WirkwarenWelt« ein Preisausschreiben für Kurzgeschichten sowie eine großzügige, mit Preisen bedachte Abonnenten-Werbung und lud ihre Leser ein, Zuschriften an die Redaktion zu richten: »Ihr Wochenblatt - für Sie gegründet - für Sie gedruckt - für Sie redigiert - jede Woche für Sie.«
    Die Eröffnungsnummer begegnete unleugbar einer gewissen Resonanz im Publikum. Herr Steiner hörte aus glaubhafter Quelle, daß man dem Kolporteur in Eilat die ersten Exemplare buchstäblich aus der Hand gerissen hätte, und Goldberg brachte dank seiner guten Verbindungen eine Notiz im Organ der Gewerkschaft »Druck und Papier« unter: »Unter dem Titel >Unsere Wirkwaren-Welt< erschien soeben die erste Nummer einer neuen Zeitschrift, die an allen üblichen Verkaufsstellen erhältlich ist.« Laut Goldberg bedeutete das soviel wie einen offiziellen Segen für das neue Unternehmen und den Verkauf von mindestens 5000 Exemplaren. Bedenklich war, daß keine Leserzuschriften kamen und daß für das Preisausschreiben nur eine einzige Kurzgeschichte von Oscar Wilde eintraf, die er unter dem Pseudonym »Oskar Friedmann, Haifa« eingesandt hatte. Die Auslieferangsfirma erklärte auf Fragen nach den Bestellungen, daß es noch zu früh wäre, sich ein Urteil zu bilden, aber aus der Gegend des Toten Meeres wären sehr ermutigende Reaktionen gekommen.
    Als Steiner die ersten Anzeichen von Nervosität bekundete, weil der erhoffte Profit auf sich warten ließ, wurde er von Goldberg daran erinnert, daß er auf ein ein- bis zweijähriges Defizit vorbereitet gewesen sei. Zugegeben, antwortete Steiner, aber es müsse ja nicht alles, worauf man vorbereitet sei, unbedingt eintreffen. Er beschloß, in die redaktionelle Gestaltung des Blattes einzugreifen und für ein höheres Niveau zu sorgen. Denn wenn die erste Nummer nicht richtig eingeschlagen hätte, so konnte das nur daran liegen, daß sie nicht seriös genug war.
    Infolgedessen trug die zweite Nummer auf dem Titelblatt ein Porträt des neuen israelischen Ministerpräsidenten mit der Unterschrift: »Der neue israelische Ministerpräsident«. Die Nummer enthielt ferner eine medizinische Seite, eine Kurzgeschichte von W. Shakespeare, eine Ballade des bedeutenden israelischen Lyrikers Jochanaan Teppler, eine erkleckliche Anzahl von Leserbriefen mit Antworten von »Zippora« (Steiners nom de plume), Modeberichte und eine Rubrik »Wohin am Abend?« Zu den technischen Veränderungen, die Steiner vornahm, gehörte die Kündigung von 14 Korrespondenten, 5 Photographen, 2 Botenjungen und einer Sekretärin. Statt dessen engagierte er einen Anwalt, der die Klagen auf Vertragsbruch zu behandeln hatte. Die Anzahl der Illustrationen wurde reduziert, und einige Photos aus der ersten Nummer wurden mit anderen Unterschriften nachgedruckt.
    Obwohl die Kolporteure der zweiten Nummer mit großen Plakaten - «HALT! DIE NEUE NUMMER UNSERER WIRKWAREN-WELT!« - ausgerüstet waren, wollte sich die Vertriebsstelle auf keine Auskünfte festlegen. Steiner strich inkognito um einen Zeitungskiosk herum, um den Absatz seines Wochenblatts zu beobachten. Als nach sechs Stunden noch kein Exemplar verlangt worden war, gab er auf und erkundigte sich in einigen Buch- und Zeitschriftenläden nach dem Verkauf der »Wirkwaren-Welt«. Die Ladeninhaber waren überrascht, von der Existenz dieser Zeitschrift zu hören. Steiner begann ernsthaft zu zweifeln, daß er die als Minimum eingesetzte Verkaufsziffer von 30000 Exemplaren jemals erreichen würde, eilte nach Hause und delogierte den restlichen Redaktionsstab mit Ausnahme Goldbergs, der bereits vierzehn Monatsgehälter im voraus bezogen hatte.
    »Man raubt mich aus!« brüllte Steiner und unternahm einen letzten verzweifelten Versuch, sein Geld zurückzubekommen: Die dritte Nummer erschien nur noch in einem Umfang von 18 Seiten und im Zweifarbendruck. Auf dem Titelblatt sah man eine nackte Negerin und die Ankündigung folgender Beiträge: »Das Märchen von der Potenz der Schwarzen«, »Geständnisse einer Prostituierten«, »Die Pille und du«, »Die überschätzte Jungfernschaft (Tatsachenbericht eines vergewaltigten Mädchens)«, »Interview mit einem homosexuellen Spion« und »Erotische Fachausdrücke«. Die Fotos wurden von einer pornographischen Filmfirma gegen ein Gratisinserat bereitgestellt.
    Die von der Vertriebsstelle gemeldeten Absatzziffern besagten, daß von der ersten Nummer 84 Exemplare und von der zweiten Nummer 17 Exemplare verkauft worden waren. Nummer 3 erbrachte

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