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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Reiseführers ein: In gefährlichen Lagen empfiehlt es sich, hebräisch zu sprechen.
    »Adoni«, begann ich in der altehrwürdigen Sprache unserer heiligen Bücher, »lassen Sie mich in Ruhe oder ich müßte zu drastischen Maßnahmen greifen. Sind Sie einverstanden?«
    Mein Gegenüber glotzte aus aufgerissenen Augen und ließ mich ziehen.
    Zu Hause erzählte ich Tante Trude von meinem Erlebnis. Sie erbleichte:
    »Großer Gott«, flüsterte sie und hielt sich am Tischrand fest, um nicht in Ohnmacht zu fallen. »Hat man dir nicht gesagt, daß du dich niemals wehren darfst? Wenn einem an der Ecke der 43. Straße ein Neger den Weg vertritt, spricht man nicht, sondern man zahlt. Nächstes Mal gib ihm alles, was du bei dir hast. Oder noch besser: bleib zu Hause.«
    Ich blieb nicht zu Hause. Unter dem Vorwand, meinen Rückflug bei der EI-AI buchen zu müssen, machte ich einen Spaziergang in verhältnismäßig frischer Luft und wieder zurück. Nur ein einziges Mal hielt ich inne, und zwar vor dem Aushängekasten eines Sex-Kinos, wo ich meine Erinnerungen an den Vorgang des Kindermachens auffrischte.
    Seltsamerweise war es wieder die Ecke der 43. Straße, an der mir jener riesenhafte Neger entgegentrat. Diesmal packte er mich sofort an den Rockaufschlägen:
    »Geld her!« fauchte er.
    Ich fand mich blitzschnell zurecht, zog meine Brieftasche hervor und fragte nur ganz leise:
    »Warum?«
    Der riesenhafte Neger schob sein Gesicht so nahe an das meine, daß ich die von ihm bevorzugte Whiskymarke zu erkennen glaubte: »Warum? Warum, du weißes Schwein? Weil du ein weißes Schwein bist!«
    Ringsum herrschte plötzlich gähnende Leere. Was es an Fußgängern gegeben hatte, war längst in den Haustoren verschwunden. In der Ferne entwichen zwei Polizisten auf Zehenspitzen. Wortlos drückte ich dem schwarzen Panther zwei Dollarnoten in die Hand, riß mich los und rannte nach Hause.
    »Ich habe gezahlt!« jauchzte ich in Tante Trudes fragendes Gesicht. »Zwei Dollar!«
    Tante Trude erbleichte auch diesmal: »Zwei Dollar? Du hast es gewagt, ihm zwei lumpige Dollar zu geben?«
    »Ich hatte nicht mehr bei mir«, stotterte ich.
    »Geh nie wieder aus, ohne mindestens fünf Dollar mitzunehmen. Der Kerl hätte dir die Kehle durchschneiden können. Wie groß war er?«
    »Vielleicht ein Meter neunzig.«
    »Nächstens nimm zehn Dollar mit.« Bei meinem folgenden Ausgang wurde ich schon an der Ecke der 40. Straße von einem unrasierten Zeitgenossen um eine einmalige Schenkung ersucht, mußte sie ihm jedoch verweigern:
    »Bedaure, ich werde an der Ecke der 43. Straße überfallen.«
    Er nahm meine Ablehnung zur Kenntnis. Auch in diesen Kreisen scheint ein Regulativ gegen Doppelbesteuerung zu gelten. Man zahlt entweder an der 40. oder an der 43. Straße, aber nicht zweimal.
    An der 43. Straße angelangt, hielt ich nach meinem Neger Ausschau, aber er zeigte sich nicht. Das enttäuschte mich ein wenig, denn ich hatte für ihn eine fabrikneue Zehndollarnote vorbereitet. Ich begann die umliegenden Kneipen abzusuchen und fand ihn schließlich in einer Bar für lesbische Nudisten. Joe - so hieß er ja wohl - saß mit überkreuzten Beinen gegen die Wand gelehnt und begrüßte mich beinahe herzlich:
    »He, weißes Schwein! Geld her! Aber diesmal etwas mehr!« Es reizte mich, mein Experiment fortzusetzen: »Leider hab ich nichts bei mir, Joe. Aber ich komme morgen wieder.«
    Joe deutete mir durch ein stummes Nicken seine Zustimmung an. Ich betrachtete ihn etwas genauer. So riesenhaft war er gar nicht. Er war nicht größer als ich und hatte viel weniger Zähne im Mund. Ich winkte ihm zu und ging.
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde gerade eine hysterisch kreischende Frauensperson vergewaltigt, während die Passanten in den Haustoren verschwanden. Ich pries mich glücklich, einem so zurückhaltenden Charakter wie Joe begegnet zu sein.
    »Ephraim«, sagte meine Tante Trude ein paar Tage später, »du mußt deinen Neger aufsuchen, sonst kommt er uns noch ins Haus. Man kennt diesen Typ.«
    Ich faltete einen mürben Fünfzigdollarschein zusammen, steckte ihn zu mir und begab mich zum Rendezvous in die 43. Straße. Niemand belästigte mich unterwegs, auch die Zuhälter faßten nicht nach meinem Arm. Alle wußten, daß ich Stammkunde des schwarzen Joe war. Joe erwartete mich in einem Restaurant mit Oben-ohne-Service:
    »Hallo, weißes Schwein. Hast du das Moos gebracht?«
    »Ja«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    »Her damit, weißes

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