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Kein Opfer ist vergessen

Kein Opfer ist vergessen

Titel: Kein Opfer ist vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Harvey
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Wenn Sie möchten, dass ich – oder sonst jemand – Sie ernst nimmt, müssen Sie mit Fakten kommen. Nicht mit einer Theorie. Oder einem Gefühl. Oder einem Zufallstreffer. Wir brauchen harte, prüfbare Fakten. Im Idealfall sollten sie irgendwohin führen. Ist das so weit klar?«
    Wir nickten. Rodriguez wirkte nicht sehr überzeugt. Mit einem unwilligen Laut ließ er sich vom Tisch gleiten und durchquerte den Seminarraum zur Tür. Z begleitete ihn hinaus und ließ die Tür mit einem Knall hinter ihnen zufallen. Kurz darauf war sie wieder da und setzte sich an ihren Tisch.
    »Tut mir leid, dass es dazu gekommen ist«, sagte sie.
    »In den Wald zu gehen ist ja wohl kein Verbrechen«, sagte Havens.
    »Und woher hätten wir überhaupt wissen sollen, dass da eine Leiche liegt?«, fragte Sarah.
    Ich war mir nicht sicher, ob die beiden wirklich sauer waren oder sich nur abreagierten. Z schien weder das eine noch das andere zu kümmern.
    »Warum sind Sie abgehauen, als die Polizei auftauchte?«, fragte sie.
    Wie ein Mann zuckten wir mit den Schultern.
    »Warum sind Sie überhaupt dorthin gefahren?«
    »Sagen Sie bloß, Sie hätten noch nie so was gemacht«, sagte Havens.
    »Zumindest bin ich noch nie vor Polizisten geflüchtet«, entgegnete Z. »Jedenfalls nicht, wenn das Recht auf meiner Seite war.« Sie senkte die Stimme. »Noch eins. Diese Höhle haben Sie nie betreten, oder?«
    »Von der haben wir gerade zum ersten Mal gehört«, antwortete ich.
    Z studierte unsere Mienen der Reihe nach, schien aber in keiner etwas zu erkennen.
    »Wer ist er?«, fragte Sarah. Z wusste sofort, wen sie meinte. Rodriguez schien einen gewissen Eindruck auf Frauen zu machen. Ganz gleich, unter welchen Umständen.
    »Rodriguez? Er ist in Ordnung. Ein guter Polizist. Ehrlicher Mann.«
    »Sind andere etwa nicht ehrlich?«, fragte ich.
    »Das ist nicht witzig«, erwiderte Z. »Vielleicht hätte ich Sie gleich zu Anfang darauf hinweisen sollen. Tut mir leid, dass ich es versäumt habe. Aber ich rate Ihnen Folgendes: Wenn Sie an einen Cop aus Chicago geraten, machen Sie keine Faxen. Diese Leute sind hartgesotten, mitunter äußerst gewalttätig und mehr oder weniger skrupellos. Wenn sie sich von Ihnen bedroht fühlen, werden sie Wege finden, sich zu schützen. Sie tragen eine Dienstmarke. Und eine Waffe. Und etliche unter ihnen bedienen sich ihrer, ohne mit der Wimper zu zucken.«
    »Ich glaube, einen kleinen Vorgeschmack davon haben wir schon bekommen«, sagte Havens. Dann berichtete er Z von unserem Besuch im Asservatenlager, und dass ich anschließend von zwei Detectives angehalten worden war.
    »Und Sie fanden es nicht angebracht, damit in Rodriguez’ Beisein rauszurücken?«, fragte Z.
    »Soweit ich mich erinnere, hat er nicht danach gefragt.« Havens grinste. Genau genommen grinsten alle, bis auf Z.
    »Was haben die beiden aus Ihrem Wagen mitgenommen, Ian?«, fragte sie.
    »Unterlagen aus der Akte Wingate. Polizeiberichte, Fallnotizen und so weiter.«
    »Hatten Sie keine Kopien gemacht?«
    »Das waren die Kopien«, kam Havens mir zuvor. Anscheinend wollte er nicht, dass ich Z von dem Teil erzählte, den ich aus dem Gedächtnis rekonstruiert hatte. Auch gut.
    »Also haben Sie nichts mehr in der Hand«, sagte Z.
    »Doch.« Das kam von Sarah. Es war kaum zu glauben, aber die vergangene Nacht hatte ich in den letzten Stunden fast vergessen. Den Wodka, den Strand, dass wir zusammen im See geschwommen waren.
    »Was denn jetzt? Sie sind dran, Miss Gold.«
    »Ich denke an das Gesamtbild. Jake kriegt einen Brief, in dem es um Wingate geht. Wir besuchen den Tatort, und dann kommt die Polizei und findet nicht weit davon entfernt die nächste Leiche.«
    »Sie haben gehört, was der Detective gesagt hat. Er sieht keinen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen.«
    »Trotzdem war es so«, beharrte Sarah. »Sind das keine Fakten? Und als Jake und Ian im Asservatenlager waren, hat der größte Teil des Beweismaterials gefehlt. Sicher, ein paar Unterlagen waren noch da, aber alles andere war weg.«
    »Beweismaterial kann schon mal abhanden kommen«, entgegnete Z. »Erst recht, wenn es sich um ältere Fälle handelt.«
    »Klar«, sagte Sarah. »Aber wir glauben, dass da irgendetwas faul ist.« Sie hielt inne. Havens und ich nickten zustimmend. »Irgendjemand will nicht, dass wir uns mit dem Fall Wingate beschäftigen. Und wir wüssten gern, warum.«
    Z runzelte die Stirn und versank in ihren Gedanken. Gerade als ich dachte, sie hätte unsere Anwesenheit

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