Kein Opfer ist vergessen
Benzinspuren entdeckt.«
»War jemand im Haus, als es gebrannt hat?«
Grace lachte. »Der Witz war, dass man uns eine Stunde vor dem Brand angerufen hat. Wir wurden vor dem Feuer gewarnt und konnten uns alle in Sicherheit bringen.«
»Wie bitte?«
»Es waren die Cops, Ian. Die sind schlimmer als jede Gang.«
»Haben Sie jemanden gesehen?«
»Wer will schon jemanden gesehen haben. Und selbst wenn? Würden Sie einen Cop aus Chicago verpfeifen?«
Ein Feuerwehrmann rollte einen Schlauch aus und brüllte, wir sollen aus dem Weg gehen.
»Das können die nicht bringen.«
»Sie können. Und sie tun es. Glauben Sie, hier in der Gegend schert es irgendjemanden, ob das Heim niedergebrannt wird? Die Leute feiern eher eine Party.«
Der Feuerwehrmann begann, die rauchenden Schutthaufen mit Wasser zu besprengen, und wir bekamen den Sprühregen mit.
Wir gingen wieder ins Haus oder vielmehr in das, was davon noch übrig war. Grace steckte sich eine Zigarette an. Das würde den Feuerwehrleuten zwar nicht passen, aber es war ja keiner in der Nähe, der sie daran hindern konnte.
»Das alles tut mir sehr leid«, sagte ich.
»Danke.«
»Haben Sie genügend Geld, um den Verein wieder aufzubauen?«
Grace lachte auf. »Wenn man es mit der Chicagoer Polizei zu tun hat, ist das die Kehrseite der Medaille.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Die Polizei legt den Straßenverein in Schutt und Asche, aber wir halten die Klappe. Und vielleicht, ganz vielleicht helfen sie uns daraufhin bei der Versicherung aus. Schreiben einen Bericht, der uns die doppelte Summe des tatsächlichen Werts des Hauses einbringt.«
Ich sah sie sprachlos an.
»Ha«, sagte Grace und zeigte mit der glühenden Zigarettenspitze auf mich. »Langsam fällt der Groschen.«
»Warum wollten Sie, dass ich herkomme?«, fragte ich.
»Ganz einfach.« Sie zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette und warf den Stummel auf den Boden. Als sie sprach, strömte Rauch aus ihren Nasenlöchern. »Sie sind seit anderthalb Jahren das erste neue Gesicht, das hier aufgetaucht ist. Sie müssen der Auslöser gewesen sein.«
Ich wollte es nicht glauben, aber wahrscheinlich hatte sie recht.
»Das ist noch nicht alles«, fuhr Grace fort. »Da wäre noch das Mädchen, das bei Ihrem letzten Besuch am Empfang war.«
Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg und es in meinen Ohren rauschte. »Das Mädchen?«, fragte ich gepresst.
»Ja, Theresa. Eine Latina, klein, dunkelhaarig.«
»Ach ja, ich erinnere mich.«
Grace warf mir einen Seitenblick zu, schien etwas zu erkennen und wirkte nicht sehr erbaut. Ich konnte es ihr nicht mal übel nehmen.
»Vorgestern hat sie mit jemandem telefoniert. Dabei ist Ihr Name gefallen.«
»Mein Name? Sind Sie sicher?«
»Absolut. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört.«
»Wissen Sie, mit wem sie telefoniert hat?«
»Anfangs dachte ich, mit Ihnen. Sonst ist mir bisher keiner eingefallen. Allerdings hat sie öfters mit der Polizei zusammengearbeitet.«
»Und wie sah diese Zusammenarbeit aus?«
»Theresa ist ein Junkie. Ich weiß nicht, wie oft sie schon zum Entzug in einer Klinik war. Wie es heißt, spioniert sie für die Polizei, um ihre eigene Haut zu retten. Ich habe ihr hier einen Job gegeben, aber mir scheint, das war ein Fehler.«
»Und sie hat tatsächlich meinen Namen genannt?«
»Ja, hat sie. Als sie weg war, wollte ich die Telefonnummer checken. Sie war blockiert.«
»Haben Sie einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?«
Grace hob die Schultern, wie um zu sagen, die Frage hätte ich mir schenken können.
»Sie glauben also, die Cops haben das Haus meinetwegen niedergebrannt. Weil ich mich bei Ihnen nach James Harrison erkundigt habe.«
»Einer der Feuerwehrleute hat gesagt, dass der Brandstifter in meinem Büro auf Nummer sicher gegangen ist. Da wollte jemand, dass die Akten zu Asche werden.«
»Was hätte denn da noch sein sollen? Die Inventurliste mit den Einträgen über die Jeans? Damit kann doch keiner etwas anfangen.«
»Die Polizei weiß nicht, was in meinem Aktenschrank war. Und sie weiß auch nicht, was ich Ihnen gegeben habe. Trotzdem muss etwas da gewesen sein, das ihnen Sorgen gemacht hat. Haben Sie schon mit Moncata gesprochen?«
»Nein.«
»Dann tun Sie es. Sam ist ein kluger Mann. An ihn wagen die Cops sich nicht so ohne Weiteres heran. Aber noch besser wäre es, Sie würden die ganze Angelegenheit vergessen. Die Leute, die den Brand gelegt haben, werden Ihnen auch eine Kugel in den Kopf jagen, wenn es sein
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