Kein Opfer ist vergessen
noch den Rest.« Er sammelte sein Material ein.
»Welchen Rest?«, erkundigte ich mich.
»Spuren. Wie ich gehört habe, hat man ihr eine ganz schöne Ladung abgenommen.«
Als Erstes kamen mir Sarah und Jake in den Sinn, diffuse Bilder, die aufflammten und sofort wieder erloschen. »Soll das heißen, Sie lassen eine DNA -Analyse machen?«
»Mann, und da sagt man immer, die Northwestern sei nur was für Volltrottel.«
»Ich habe sie nicht vergewaltigt, Detective. Und wir hatten auch keinen einvernehmlichen Sex.«
»Das Letzte glaube ich Ihnen aufs Wort.«
»Die DNA -Analyse wird meine Unschuld beweisen. Da gibt es überhaupt keine Frage.«
»Wann kapierst du es endlich, Klugscheißer?« Coursey trat hinter mich, legte mir wieder Handschellen an und zog sie so eng, dass sie mir in die Haut schnitten. Dann bückte er sich und flüsterte in mein Ohr. »Wenn wir zu irgendwas eine DNA brauchen, kriegen wir die auch. Egal, was es kostet.« Er richtete sich auf, nahm seine Aktenmappe vom Tisch und ging zur Tür. »Du bist hier die Lachnummer, Joyce. Fühl dich bei uns wie zu Hause.«
Und dann war er weg.
SECHSUNDDREISSIG
Ich saß in dem Verhörraum und versuchte, mir irgendetwas Sinnvolles einfallen zu lassen. Doch das Einzige, was mir einfiel, war die Sache mit der DNA . Ich fragte mich, ob sie die Analyse bei Sarah schon gemacht hatten. Ob sie bereits die Ergebnisse hatten. Vor meinem geistigen Auge blitzte das Gesicht von James Harrison auf. Ihm folgten andere. Polizeifotos und Kennnummern. Fall-Akten, die sich türmten. Regale, die voll von ihnen waren. Druckerschwärze und Papier. Doch jetzt war daraus Fleisch und Blut geworden. Mein Fleisch und Blut. Eine Viertelstunde kroch dahin. Dann noch eine. Dank der engen Handschellen waren meine Hände taub geworden. Vielleicht gehörte auch das zu Courseys Plan. Er schnürte meinen Blutkreislauf ab und brachte mich Stück für Stück um. Zuerst die Hände, dann die Arme und zuletzt die Beine. Ich würde wie Monty Pythons Schwarzer Ritter enden. Ich dachte an den Film und hätte beinah gelacht. Himmel noch mal, anscheinend war ich jetzt schon halb hinüber. Womöglich war das Courseys Plan. Wahrscheinlich stand er auf der anderen Seite des Spiegels und beobachtete mich. Ich bemühte mich um eine ausdruckslose Miene. In dem Moment drehte sich der Türknauf. Irgendjemand wollte in den Raum. Ich hörte eine Stimme, die um den Schlüssel bat, und dann gedämpftes Gemurmel. Als Nächstes kratzte Metall auf Metall. Der Knauf drehte sich ganz, und die Tür ging auf.
Judy Zombrowski kam herein.
»Eins muss man Ihnen lassen, Mr Joyce. Sie leisten wirklich ganze Arbeit.«
Sie setzte sich auf den Stuhl, den Coursey geräumt hatte. Gleich darauf erschien Vince Rodriguez. Er nahm mir die Handschellen ab. Ich rieb meine Handgelenke und sah Z an.
»Was tun Sie hier?«
»Gute Frage.«
»Wo ist Sarah?«
»Das ist jetzt nicht wichtig. Sie sollten sich auf sich selbst konzentrieren.«
Mehr schienen meine Besucher dazu nicht äußern zu wollen. Ich wartete.
»Wissen Sie, weshalb Sie hier sind?«, fragte Z.
»Ich habe Sarah nicht vergewaltigt.«
»Und doch wurden Sie mitten in der Nacht vor ihrer Wohnung gesehen.«
Offenbar hatte Z mit Coursey gesprochen. Vielleicht war sie ja auch Teil seiner Strategie. Womöglich setzten die Cops sie ein, um mich zum Reden zu bringen. Andererseits hatte ich ja schon geredet. Und weshalb war überhaupt Rodriguez hier?
Wie aufs Stichwort sagte er: »Wir drei werden eine kleine Spazierfahrt machen.«
»Wann?«
»Jetzt. Auf dem Weg bringen wir Sie auf den neuesten Stand.«
Wie eine Eskorte führten sie mich durch einen Hintereingang hinaus, Z auf der einen Seite, Rodriguez auf der anderen. Coursey war nirgends zu sehen. Wir überquerten einen eingezäunten Parkplatz der Polizei zu einem silberfarbenen Crown Victoria. Mir war, als hätten wir Mitternacht, aber woher wollte ich das wissen. Rodriguez winkte mich auf den Rücksitz. Z setzte sich zu mir. Keiner der beiden legte mir Handschellen an, das nahm ich sehr bewusst zur Kenntnis.
Rodriguez fuhr von dem Parkplatz runter. Als wir wenig später vor einer roten Ampel hielten, fragte er mich: »Wie fühlen Sie sich?«
»Ich habe Hunger.«
»Gut, dann halten wir irgendwo an.« Schweigend passierten wir mehrere Blocks. Rodriguez parkte vor einer kleinen mexikanischen Spelunke namens Flacos Tacos. Wir gingen rein und ließen uns in einer Sitzecke am Fenster nieder. Die Kellnerin brachte uns
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