Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
den Händen, und doch fühlte sich Sophia in diesen Momenten so mit Luke und der Ranch verbun den, dass sie nicht begreifen konnte, warum sie so lange gebraucht hatte, um ihn zu finden.
Als Weihnachten näher rückte, verbrachten sie den Groß teil eines Wochenendes in der Tannenbaumpflanzung. Wäh rend Luke das Fällen, Zusammenbinden und Schlep pen der Bäume übernahm, saß Sophia an der Kasse. Und wenn keine Kundschaft da war, konnte sie für ihre Prüfungen lernen.
Darüber hinaus hatte Luke wieder mit dem Training auf dem elektrischen Bullen angefangen. Manchmal sah sie ihm in der windschiefen Scheune von der Motorhaube eines rostigen Traktors aus zu. Der Boden rings um den Bullen war dick mit Schaumstoff gepolstert, um Lukes Stürze abzufangen. Normalerweise begann er gemächlich, lockerte erst einmal seine Muskeln, ehe er den Bullen auf die höchste Stufe stellte. Der Apparat drehte sich und kippte und wechselte abrupt die Richtung, aber irgendwie blieb Luke trotzdem im Gleichgewicht und hielt die freie Hand vom Körper weggestreckt. Er ritt immer drei oder vier Runden, dann setzte er sich zu Sophia und verschnaufte. Danach stieg er erneut auf. Insgesamt dauerten seine Trainingseinheiten bis zu zwei Stunden. Er beklagte sich zwar nie, doch sie bemerkte seine Beschwerden hinterher daran, dass er sich hin und wieder krümmte, wenn er sich anders hinsetzte oder falsch auftrat. Sonntagabends lag er oft von Kerzen umgeben auf seinem Bett, und Sophia versuchte, die Schmerzen und die Steifheit aus seinen Mus keln wegzumassieren.
Auf dem Campus verbrachten sie nur wenig Zeit mitein ander, aber sie gingen manchmal zum Essen oder ins Kino und einmal sogar in eine Country-Kneipe, wo sie sich die Band anhörten, die an ihrem ersten Abend gespielt hatte. Luke brachte Sophia den Line Dance bei.
Irgendwie machte Luke ihre Welt lebendiger, realer, und wenn sie nicht zusammen waren, wanderten ihre Gedanken unausweichlich zu ihm.
Die zweite Dezemberwoche brachte eine frühe Kaltfront mit sich, einen heftigen Sturm, der von Kanada her blies. Es war der erste Schnee, und auch wenn das meiste am Nachmittag schon wieder geschmolzen war, konnten Sophia und Luke am Vormittag eine weiße Decke über der Ranch bewundern, bevor sie sich auf den Weg zum Weihnachtsbaumverkauf machten.
Später gingen sie, wie es ihnen zur Gewohnheit gewor den war, zum Haus seiner Mutter. Während Luke die Bremsklötze an seinem Pick-up auswechselte, brachte Linda Sophia das Backen bei. Wenn Sophia die beiden anderen dabei beobachtete, wie sie herumalberten und einander auf den Arm nahmen, wünschte sie sich, zu ihren eigenen Eltern eines Tages auch solch eine Beziehung zu haben. Das kleine Mädchen von früher gäbe es dann nicht mehr; an seine Stelle wäre nicht nur eine Tochter getreten, sondern vielleicht auch eine Freundin. Seit sie ein Teil von Lukes Leben war, fühlte sie sich erwachsener und fragte sich nicht mehr, wozu das College gut gewesen war. Das Auf und Ab, die Träume und Kämpfe waren Etappen der Reise gewesen, begriff sie – einer Reise, die zu einer Ranch in der Nähe einer Stadt namens King geführt hatte, wo sie sich in den Cowboy Luke verliebt hatte.
» S chon wieder?«, jammerte Marcia. Sie setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und zog ihren Schlabberpulli über die Strumpfhose. »Haben dir zwölf Wochenenden hintereinander auf der Ranch noch nicht gereicht?«
»Du übertreibst.« Sophia verdrehte die Augen und trug noch eine letzte Schicht Lipgloss auf. Neben ihr stand fertig gepackt ihre kleine Reisetasche.
»Natürlich übertreibe ich. Aber es ist unser letztes Wo chenende vor den Weihnachtsferien. Am Mittwoch fahren wir, und ich habe dich das ganze Semester kaum zu Gesicht bekommen.«
»Wir sind doch ständig zusammen«, widersprach Sophia.
»Nein«, sagte Marcia. »Früher vielleicht. Jetzt bist du fast jedes Wochenende bei ihm auf der Ranch. Du warst nicht mal auf dem Winterball letzten Samstag. Unserem Winterball.«
»Du weißt genau, dass ich mir nichts aus solchen Veranstaltungen mache.«
»Meinst du nicht eher, dass er sich nichts daraus macht?«
Sophia presste die Lippen aufeinander. Sie wollte sich nicht rechtfertigen, spürte aber den ersten Hauch von Verärgerung über Marcias Tonfall.
»Wir wollten beide nicht hin, okay? Er hat gearbeitet und brauchte meine Hilfe.«
Marcia fuhr sich mit der Hand durch die Haare, sichtlich aufgebracht. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ohne dass du sauer auf
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