Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
sie der B- 1 7 zugewiesen wurde, und dann endlich nach England. Als ich im Oktober 1 943 meinen ersten Einsatz flog, war ich fast eineinhalb Jahre lang in den USA geschult worden, so weit vom Kampfgeschehen entfernt, wie jemand in der Armee es nur sein konnte.
Das war nicht das, was die Leute hätten hören wollen, aber so habe ich den Krieg erlebt. Er bestand aus Ausbildung und Versetzungen und noch mehr Ausbildung. Er bestand aus Passierscheinen und einem Ausflug zu einem kalifornischen Strand, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben am Pazifik stand. Er bestand aus der Gelegenheit, sich die riesigen Mammutbäume im Norden Kaliforniens anzusehen, Bäume, deren Größe jedes Fassungsvermögen übersteigt. Er bestand aus der Ehrfurcht, die mich ergriff, wenn ich im Morgengrauen über der Wüstenlandschaft in die Luft aufstieg. Und er bestand auch, selbstverständlich, aus Joe Torrey, dem besten Freund, den ich jemals hatte.
Wir hatten wenig gemeinsam. Er stammte aus Chicago, war katholisch, ein guter Baseballspieler mit einer Lücke zwischen den Schneidezähnen. Es fiel ihm schwer, auch nur einen einzigen Satz ohne einen Fluch rauszubringen, aber er lachte viel und nahm sich gern selbst auf die Schippe, und wenn Passierscheine für das Wochenende ausgehändigt wurden, wollte jeder mit ihm zusammen sein. Er sollte an den Pokerrunden der anderen teilnehmen und mit ihnen in die Stadt fahren, denn Frauen fanden ihn ebenfalls unwiderstehlich. Warum er oft etwas mit mir unternahm, blieb mir immer ein Rätsel, doch Joe war der Grund, warum ich überhaupt je das Gefühl hatte, dazuzugehören. Joe war es, mit dem ich mein erstes Bier auf dem Santa Monica Pier trank, und Joe war es, mit dem ich die einzige Zigarette meines Lebens rauchte. Joe war es, mit dem ich mich unterhielt, wenn ich Ruth ganz besonders vermisste, und er hörte mir auf eine Weise zu, dass ich immer weiter reden wollte, bis es mir endlich wieder besser ging. Joe hatte auch eine Verlobte zu Hause, eine hübsche junge Frau namens Marla, und er gestand mir, dass ihn eigentlich nicht sonderlich kümmerte, was im Krieg pas sierte, solange er nur zu ihr zurückkehren konnte.
Joe und ich landeten in derselben B-17. Der Captain war Colonel Bud Ramsey, ein echter Held und als Pilot ein Genie. Er war bereits eine Runde Kampfeinsätze geflogen und nun mit einer zweiten beauftragt worden. Selbst unter den schlimmsten Umständen blieb er ruhig und gelassen, und wir wussten, dass wir uns glücklich schätzen durften, ihn als Kommandanten zu haben.
Meine eigentliche Kriegsteilnahme begann am 2. Oktober, als wir einen Angriff auf einen U-Boot-Stützpunkt in Emden flogen. Zwei Tage später gehörten wir zu einer Staffel von dreihundert Flugzeugen, die sich über Frankfurt versammelten. Am 10. Oktober bombardierten wir einen Eisenbahnknotenpunkt in Münster, und am 14. Oktober, einem Tag, der als Schwarzer Donnerstag bekannt wurde, endete der Krieg für mich.
Das Ziel war eine Kugellagerfabrik in Schweinfurt. Sie war ein paar Monate zuvor schon einmal Ziel eines Luftangriffs geworden, aber die Deutschen kamen mit den Reparaturarbeiten gut voran. Wegen der Entfernung zu unserem Stützpunkt bekam unsere Bomberformation keine Unterstützung durch Jagdflugzeuge, und dieses Mal kam der Angriff nicht unerwartet. Deutsche Kampfflieger tauchten an der Küste auf und verfolgten mehrere Staffeln den ganzen Weg, und als wir schließlich in Schussweite waren, hatten Flakgeschütze bereits einen dichten Nebel über der gesamten Stadt erzeugt. Deutsche Raketen explodierten in großer Höhe überall um uns herum, die Druckwellen erschütterten das Flugzeug. Wir hatten gerade unsere Bomben abgeworfen, als eine Gruppe von feindlichen Jagdfliegern uns plötzlich umringte. Sie kamen aus allen Richtungen, und überall um uns herum stürzten auf einmal Bomber vom Himmel, trudelten von Flammen eingehüllt auf die Erde zu. Innerhalb von Minuten war von unserer Formation nicht mehr viel übrig. Unser Bordschütze wurde in die Stirn getroffen und kippte rückwärts ins Flugzeug. Ohne nachzudenken kletterte ich auf seinen Sitz und begann zu feuern. Ich gab annähernd fünfhundert Schuss ab, ohne dem Feind nennenswerten Schaden zuzufügen. In dem Augenblick glaubte ich nicht, dass ich den Angriff überleben würde, aber ich hatte zu große Angst, um aufzuhören.
Wir wurden erst von der einen Seite unter Beschuss ge nommen und dann von der anderen. Von meiner Position aus konnte ich erkennen, dass
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