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Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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Rest meines Lebens trug ich Wunden mit mir herum, die niemand sehen konnte, die mich aber für immer quälten. Joe Torrey und Bud Ramsey waren großartige Männer gewesen, und doch waren sie gestorben, und ich hatte überlebt. Diese Schuldgefühle schüttelte ich nie ganz ab. Die Verletzung, die ich durch das Flakgeschoss erlitten hatte, machte mir an kalten Wintermorgen das Gehen beschwerlich, und mein Magen hat sich nie völlig erholt. Ich kann keine Milch trinken und nicht scharf essen, und ich habe mein altes Gewicht nie wieder erlangt. Seit damals habe ich kein Flugzeug bestiegen, und Filme, die sich mit dem Krieg befassen, konnte ich nie zu Ende sehen. Ich mag keine Krankenhäuser. Für mich hat der Krieg – und meine Zeit im Krankenhaus – nun mal alles verändert.
    » D u weinst«, sagt Ruth zu mir.
    An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit hätte ich mir die Tränen mit dem Handrücken vom Gesicht gewischt. Aber hier und jetzt überfordert mich das.
    »Das habe ich gar nicht bemerkt«, sage ich.
    »Du hast in der Anfangszeit unserer Ehe oft im Schlaf geweint. Ich hörte dich nachts, und es brach mir das Herz. Ich habe dir dann den Rücken gestreichelt und dich getröstet, und manchmal hast du dich umgedreht und wurdest still. Andere Male hörte es die ganze Nacht nicht auf, und am nächsten Morgen hast du behauptet, du könntest dich nicht an den Grund erinnern.«
    »Manchmal stimmte das auch.«
    Sie sieht mich an. »Aber manchmal nicht.«
    Ich blinzle und denke, dass ihre Gestalt beinahe flüssig ist, als würde ich sie durch die flimmernden Hitzewellen betrachten, die im Sommer vom Asphalt aufsteigen. Sie trägt ein dunkelblaues Kleid und ein weißes Haarband, und ihre Stimme klingt älter. Es dauert zwar einen Moment, aber dann fällt mir ein, dass sie dreiundzwanzig ist, so alt, wie sie war, als ich aus dem Krieg heimkehrte.
    »Ich habe an Joe Torrey gedacht«, sage ich.
    »Deinen Freund.« Sie nickt. »Den, der in San Francisco fünf Hotdogs gegessen hat. Der dir dein erstes Bier gekauft hat.«
    Von der Zigarette habe ich ihr nie erzählt, weil ich weiß, dass sie das missbilligt hätte. Ruth hat den Geruch immer gehasst. »Genau«, sage ich.
    Das Morgenlicht umgibt Ruth wie ein Heiligenschein.
    »Ich wünschte, ich hätte ihn kennengelernt«, sagt sie.
    »Du hättest ihn gemocht.«
    Ruth räuspert sich, dann wendet sie den Kopf ab. Sie betrachtet das schneebedeckte Fenster und schweigt. Dieses Auto, denke ich, ist mein Grab geworden.
    »Du hast auch ans Krankenhaus gedacht«, murmelt sie nach einer Weile.
    Als ich nicke, stößt sie ein müdes Seufzen aus.
    »Hast du nicht gehört, was ich dir gesagt habe?« Sie dreht sich wieder zu mir um. »Dass es für mich keine Rolle spielte? Darüber würde ich dich doch nicht anlügen.«
    »Nicht absichtlich«, erwidere ich. »Aber ich glaube, dass du dich vielleicht manchmal selbst belogen hast.«
    Sie ist überrascht, weil ich in dieser Sache nie so unverblümt mit ihr gesprochen habe. Aber ich weiß, dass ich recht habe.
    »Deshalb hast du aufgehört, mir zu schreiben«, sagt sie. »Als du wieder in Kalifornien warst, kamen seltener Briefe von dir, und am Ende überhaupt nicht mehr. Sechs Monate lang habe ich nichts von dir gehört.«
    »Ich habe nicht geschrieben, weil ich noch wusste, was du mir gesagt hattest.«
    »Weil du unsere Beziehung beenden wolltest.« In ihrer Stimme schwingt ein wütender Unterton mit, und ich kann ihr nicht in die Augen sehen.
    »Ich wollte, dass du glücklich wirst.«
    »Ich war aber nicht glücklich«, zischt sie. »Ich war verwirrt und todtraurig und begriff nicht, was passiert war. Und ich habe jeden Tag für dich gebetet, weil ich hoffte, du würdest mich dir helfen lassen. Aber stattdessen blieb der Briefkasten leer, egal, wie oft ich dir schrieb.«
    »Es tut mir leid. Das war falsch von mir.«
    »Hast du meine Briefe überhaupt gelesen?«
    »Jeden einzelnen. Immer wieder, und mehr als einmal habe ich versucht, zu antworten, damit du Bescheid weißt. Aber ich fand nie die richtigen Worte.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nicht einmal, wann du zu Hause ankämst, hast du mir mitgeteilt. Deine Mutter hat es mir erzählt, und ich habe überlegt, ob ich dich vom Bahnhof abholen soll, wie du mich früher.«
    »Aber das hast du nicht getan.«
    »Ich wollte abwarten, ob du zu mir kommen würdest. Aber es vergingen Tage und dann eine Woche, und als ich dich nicht in der Synagoge sah, war mir klar, dass du mir aus dem Weg gingst.

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