Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Schlamm stecken geblieben. Ich habe Stunden gebraucht, um sie rauszuziehen, und danach musste ich sie ein paar Tage mit der Flasche füttern. Seitdem kommt sie regelmäßig zu Besuch.«
»Das ist ja niedlich.« Sophia gab sich Mühe, ihn nicht anzustarren, aber es fiel ihr schwer. »Du hast hier ein inter essantes Leben.«
Er setzte den Hut ab und strich sich durch die Haare, dann nahm er noch einen Schluck aus der Bierflasche. Als er sprach, hatte seine Stimme die übliche Zurückhaltung verloren, an die sie sich gewöhnt hatte.
»Darf ich dir mal etwas sagen?« Ein langer Moment verging, ehe er fortfuhr. »Und du darfst es nicht falsch verstehen.«
»Was denn?«
Er zupfte am Etikett seiner Flasche, schob das Papier mit dem Daumen zurück. Schließlich wandte er ihr das Gesicht zu. »Du bist die interessanteste Frau, der ich je begegnet bin.«
Sie wollte etwas sagen, egal was, aber sie hatte das Gefühl, in seinen blauen Augen zu ertrinken, und fand keine Worte. Also sah sie ihn einfach nur an. Er beugte sich zu ihr und zögerte einen Moment lang. Dann näherten sich ihre Gesichter einander.
Es dauerte nicht lange, es war nicht leidenschaftlich, aber als sich ihre Lippen trafen, wusste Sophia mit plötzlicher Gewissheit, dass sich noch nie etwas so leicht und richtig angefühlt hatte. Das perfekte Ende eines perfekten Nachmittags.
KAPITEL 8
Ira
Wo bin ich?
Das frage ich mich nur kurz, bis ich mich bewege und der Schmerz mir die Antwort liefert. Er ist wie ein Wasserfall, weiß glühend, mein Arm und meine Schulter bersten schier. Mein Kopf fühlt sich an wie zersplittertes Glas, und mein Brustkorb hat zu pochen begonnen, als sei gerade ein schweres Gewicht von mir gehoben worden.
Über Nacht hat sich das Auto in ein Iglu verwandelt. Der Schnee auf der Windschutzscheibe beginnt zu leuchten, was bedeutet, dass die Sonne aufgeht. Es ist Sonntag morgen, der 6. Februar 2011 , und laut der Uhr, die ich nur blinzelnd lesen kann, ist es sieben Uhr zwanzig. Gestern war um siebzehn Uhr fünfzig Sonnenuntergang, und es war bereits eine Stunde lang dunkel, als ich von der Straße abkam. Also sitze ich seit über zwölf Stunden hier fest, und auch wenn ich noch am Leben bin, empfinde ich einen Augenblick lang nichts als panische Angst.
Eine solche Angst habe ich auch früher schon erlebt. Ein Fremder würde mir das nicht ansehen. Die Kunden in meinem Geschäft waren oft überrascht, wenn sie erfuhren, dass ich im Krieg gewesen war. Ich erwähnte es nie, und nur einmal habe ich Ruth erzählt, was mir zugestoßen ist. Danach sprachen wir nie wieder darüber. Damals war Greensboro in vielerlei Hinsicht noch eine Kleinstadt, und viele der Menschen, die ich schon als Kind gekannt hatte, wussten, dass ich als Soldat in Europa verwundet worden war. Dennoch hatten sie, genau wie ich, nicht das Bedürfnis, über den Krieg zu reden. Für manche waren die Erinnerungen einfach zu schwer zu ertragen, für andere war die Zukunft schlicht interessanter als die Vergangenheit.
Aber wenn jemand gefragt hätte, dann hätte ich gesagt, dass meine Geschichte die Zeit nicht wert sei, die es dauern würde, sie zu erzählen. Ich hätte gesagt, dass ich mich im Juni 1 9 42 zur Luftwaffe meldete und nach meiner Vereidigung in einem Zug voller anderer Kadetten zur Grundausbildung ins Air Corps Reception Center in Santa Ana, Kalifornien, fuhr. Es war meine erste Reise Richtung Wes ten. Im folgenden Monat lernte ich, Befehle zu befolgen, Toiletten zu putzen und richtig zu marschieren. Von da aus wurde ich an die Flugschule der Mira Loma Flight Academy in Oxnard geschickt, wo man mir die Grundlagen der Meteorologie, Navigation, Aerodynamik und Mechanik beibrachte. Während dieser Zeit hatte ich außerdem einen Fluglehrer und lernte das Fliegen. Mein erster Alleinflug fand dort statt, und innerhalb von drei Monaten hatte ich genug Übungsstunden in der Luft absolviert, um nach Gardner Field in Taft versetzt zu werden. Von da aus ging es zum weiteren Flugtraining nach Roswell, New Mexico, und schließlich zurück nach Santa Ana, wo ich meine offizielle Ausbildung zum Navigator begann. Nach Abschluss dieses Lehrgangs musste ich die höhere Navigationsschule in Mather Field bei Sacramento besuchen, um das Navigieren nach den Sternen und über Koppelung zu lernen. Erst daraufhin erhielt ich mein Patent.
Zwei weitere Monate sollten vergehen, bevor ich an den europäischen Kriegsschauplatz geschickt wurde. Zuerst musste die Besatzung nach Texas, wo
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