Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Schulabschluss, aber er konnte jedes Sternbild am Himmel benennen. Hier draußen habe ich mit die schönsten Momente meines Lebens gehabt.«
Sophia streichelte Demons Mähne. »Er fehlt dir.«
»Ununterbrochen. Hier zu sein hilft mir, mich angemessen an ihn zu erinnern. So, wie man sich an ihn erinnern sollte.«
Sie konnte die Trauer in seinen Worten hören, die Anspannung in seiner Haltung ahnen. »Wie ist er gestorben?«, fragte sie sanft.
»Wir kamen von einem Wettkampf in Greenville, South Carolina, zurück. Es war spät, und er war müde, und plötz lich rannte ein Reh vor uns über die Straße. Er hatte nicht einmal Zeit, das Lenkrad rumzureißen, und das Reh flog durch die Windschutzscheibe. Der Wagen hat sich an schließend dreimal überschlagen, aber es war schon vorüber. Der Aufprall hat ihm das Genick gebrochen.«
»Und du warst dabei?«
»Ich hab ihn aus dem Wrack gezogen«, sagte er. »Ich weiß noch, dass ich ihn im Arm gehalten und panisch versucht habe, ihn aufzuwecken, bis der Krankenwagen kam.«
Sophia erbleichte. »So etwas kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Konnte ich vorher auch nicht. Gerade unterhalten wir uns noch über meinen Ritt, und in der nächsten Sekunde ist er fort. Es kam mir so unwirklich vor! Das tut es heute noch. Denn er war nicht nur mein Vater. Er war auch mein Trainer und Partner und Freund. Und ...« Er verstummte, in Gedanken versunken, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ich weiß gar nicht, warum ich dir das alles erzähle.«
»Ist schon okay«, sagte sie. »Ich bin froh darüber.«
Er nickte dankbar. »Wie sind deine Eltern?«
»Sie sind ... leidenschaftlich«, sagte sie nach einer Weile. »Bei absolut allem.«
»Was meinst du damit?«
»Du müsstest bei uns wohnen, um das zu verstehen. Sie können in der einen Minute ganz verrückt nacheinander sein und sich in der nächsten anschreien, sie haben ausgeprägte Ansichten über alles, von Politik über Umwelt bis dazu, wie viele Kekse wir nach dem Essen bekommen sollten. Selbst darüber, welche Sprache an dem Tag gesprochen werden sollte.«
»Welche Sprache?«
»Meine Eltern wollten, dass wir mehrsprachig aufwachsen, also wurde an Montagen Französisch gesprochen, dienstags Slowakisch, mittwochs Tschechisch. Das hat meine Schwestern und mich früher wahnsinnig gemacht, vor allem, wenn wir Freunde zu Besuch hatten und sie kein Wort verstanden. Und was den Schulerfolg betraf, waren meine Eltern Perfektionisten. Wir mussten in der Küche lernen, und meine Mutter hat uns vor jedem Test abgefragt. Ich kann dir sagen, wenn ich mal mit einer Note nach Hause kam, die nicht hervorragend war, haben meine Eltern sich benommen, als sei es das Ende der Welt. Meine Mutter rang die Hände, und mein Vater sagte, wie enttäuscht er war, und am Ende hatte ich solch ein schlechtes Gewissen, dass ich noch mal für einen Test lernte, den ich schon geschrieben hatte. Ich weiß, sie wollten einfach, dass ich es einmal nicht so schwer haben sollte wie sie, aber manchmal war das ziemlich erdrückend. Dazu mussten wir alle im Geschäft mitarbeiten, was bedeutete, dass wir praktisch immer zusammen waren ... Sagen wir es mal so, als ich endlich aufs College kam, freute ich mich besonders darauf, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen.«
Luke zog eine Augenbraue hoch. »Und dann hast du dich für Brian entschieden.«
»Jetzt klingst du schon wie meine Eltern. Sie mochten Brian von Anfang an nicht. So verrückt sie in manchen Dingen sind, eigentlich sind sie ziemlich klug. Ich hätte auf sie hören sollen.«
»Jeder macht Fehler«, sagte er. »Wie viele Sprachen sprichst du?«
»Vier«, erwiderte sie und schob die Hutkrempe hoch, wie er es immer tat. »Einschließlich Englisch natürlich.«
»Ich spreche eine, einschließlich Englisch.«
Sie lächelte. Sein Kommentar gefiel ihr, er gefiel ihr. »Ob mir das mal nutzen wird, weiß ich nicht. Falls ich nicht später in einem Museum in Europa arbeite.«
»Möchtest du das?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Im Moment würde ich überall arbeiten.«
Er schwieg und ließ sich das, was sie gesagt hatte, durch den Kopf gehen. Dann sagte er: »Wenn ich dir so zuhöre, wünschte ich, dass ich die Schule ernster genom men hätte. Ich war kein schlechter Schüler, aber glänzend war ich auch nicht gerade. Sonderlich viel Mühe habe ich mir nie gegeben. Aber jetzt denke ich, ich hätte aufs College gehen sollen.«
»Meiner Meinung nach ist es um einiges ungefährlicher als
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