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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Guenter
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wie ihr Onkel! Das Gesicht zu einer starren Maske verzerrt, die Augen rot brennend, hatte er plötzlich all seine Menschlichkeit verloren. „Dämon“, flüsterte Melica und es war exakt dieser Augenblick, in dem sie zum ersten Mal verstand, was genau dieses Wort überhaupt bedeutete.
    Ein plötzliches Geräusch ließ sie erschrocken herumfahren. In den Bruchteilen einer Sekunde, in denen sie sich umdrehte, nahm sie, wenn auch eher unbewusst, wahr, wo sie sich überhaupt befand. Ein Hotelzimmer, rustikal, mit vielen dunklen Elementen. Sie hätte sich genauso gut am windigen Nordpol befinden können. Das Einzige, worauf sie sich konzentrierte, war die grob gemusterte Tür, die mit einem lauten Knall gegen die Wand krachte.
    Timon stand in dem verwaisten Türrahmen, in seinen Armen hielt er etwas, das aussah wie ein kleines Kind und wahrscheinlich auch eins war. „Ich hoffe doch, ich störe nicht“, gab er mit einem ironischen Unterton in der Stimme bekannt und betrat ohne auch nur auf eine Antwort zu warten das Zimmer.
    Melica starrte ihn an. Dass Isak sich in ein blutrünstiges, bösartiges Monster verwandelt hatte, verlor an Bedeutung, rückte in den Hintergrund. Stattdessen konzentrierte sie sich auf das Wesen mit den rotgoldenen Haaren, das Timon nicht sonderlich vorsichtig durch die Gegend trug.
    Es war ein Junge, klein und schmächtig, mit einem runden mit Sommersprossen besprenkelten Gesicht. Melica brauchte ein paar Momente, um zu verstehen, was sie an diesem Bild störte. Als sie es jedoch tat, raubte ihr die Panik den Verstand. „Bitte sag mir nicht, dass du ihn ermordet hast!“
    Timon warf ihr einen verwunderten Blick zu, bevor er mit zwei langen Schritten das Zimmer durchquerte und den kleinen Jungen auf das breite Bett legte. Weitaus weniger vorsichtig, als es Melica sich gewünscht hätte.
    „ Er schläft doch nur“, sagte er dann.
    Noch nie hatte sie eine solche Erleichterung verspürt. „Weil... ich dachte... Er bewegt sich nicht und...“ Sie brach ab, als ihr auffiel, dass sie niemandem eine Erklärung schuldig war. Ganz im Gegensatz zu den anderen beiden. Ihr vorwurfsvoller Blick traf erst Timon, dann Isak. „Was geht hier vor sich?“
    „ Das ist eine gute Frage. Was ist das für ein Junge, Timon?“, erkundigte sich Isak, woraufhin Melica überrascht die Stirn krauszog. Er wusste auch nichts davon?
    „ Das, meine Freunde“, begann Timon und machte eine theatralische Pause. „Ist Liam. Keine Ahnung, wie er hier angeblich mit Nachnamen heißt.“
    „ Du willst ihn doch wohl nicht etwa übernehmen?“ Für Melicas Geschmack klang Isak viel zu wenig schockiert.
    Timon schnalzte mit der Zunge, schüttelte missbilligend den Kopf. „Dieser Junge ist unsere Rettung. Es wäre echt dumm, ihn zu töten.“
    Diese ganze Situation war so verdammt unwirklich! Melica lachte höhnisch auf. „Er ist unsere Rettung? Das ist ja großartig! Kannst du mir vielleicht auch verraten, wie du auf die Idee kommst? Oder woher du den Jungen überhaupt hast?“
    „ Aus dem Waisenhaus“, antwortete Timon, als wäre dies das Natürlichste der Welt. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er deutete belustigt auf die alte Frau, die noch immer tot zu ihren Füßen lag. „Hier ist diese Ronja also. Ich muss euch danken. Hättet ihr sie nicht mitgenommen und damit eine richtige Panik ausgelöst, hätte ich es nie geschafft, mir Liam zu schnappen.“
    „ Ich habe niemanden mitgenommen!“, stellte Melica sofort klar.
    „ Nein. Aber dafür hast du sie umgebracht“, schoss Isak genauso schnell hinterher.
    Als Timon interessiert die Augenbraue hob, warf Melica Isak einen abgrundtief bösen Blick zu. Die Wirkung war so beeindruckend wie außergewöhnlich. Es passierte einfach nichts.
    „ Ich habe sie nicht umgebracht“, knurrte sie deshalb gereizt.
    „ Nein? Warum ist sie dann tot?“
    „ Woher soll ich das denn wissen? Ich bin die ganze Zeit ohnmächtig gewesen, weißt du noch?“
    „ Ich erinnere mich“, erwiderte Isak kühl. „Genauso gut, wie ich mich an den Moment erinnere, in dem du der armen Frau das Genick gebrochen hast.“
    Melica hätte noch weiter darauf beharren können, dass sie dies nicht getan hatte, doch sie sah ein, dass es jetzt wohl nichts nützte. Die Frau war schon tot. Ob sie es nun war, die sie getötet hatte oder Isak – das Ergebnis blieb das gleiche.
    Im Fall des kleinen Jungen sah die Sache jedoch ganz anders aus. Er lebte noch! Ihm konnte sie helfen! Und so ignorierte sie

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