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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Guenter
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sprechen, doch Jim reagierte wie ein in die Ecke getriebenes Tier. Ein Knurren entstand tief in seiner Kehle, ein Knurren, das mit jeder Sekunde lauter wurde. Obwohl Melica Jim kannte, seit er sie im Kindergarten an ihren Zöpfen gezogen hatte, hatte selbst sie in diesem Moment Angst vor ihm. Der fremde Mann teilte ihre Gefühle. Ein Ausdruck tiefster Bestürzung grub Falten in sein wettergegerbtes Gesicht, als er mit einer leise gestammelten Entschuldigung das Weite suchte.
    Sprachlos starrte Melica ihm nach. „Du hast ihm Angst gemacht!“, sagte sie dann anklagend.
    „ Er ist nicht derjenige, auf den ich wütend bin.“ Jims Antwort war nur ein Grollen. „Mensch, Melica! Musstest du's so übertreiben?“
    „ Du verstehst gar nichts.“ Wie sollte er auch? Er war kein Parker. Er wusste nicht, wie man sich fühlte, wenn ihre Mutter einem ein Verbot erteilte.
    „ Dann erklär's mir.“ Jim bewegte sich nicht von der Stelle. Damit stand er den vielen Menschen, die in Schwärmen über den Bürgersteig strömten, ziemlich im Weg. Beschweren tat sich niemand. Natürlich. Niemand legte sich gerne mit jemandem an, der das Gefühl vermittelte, einem mit einem Schlag alle Lichter ausblasen zu können.
    Melica schüttelte den Kopf. „Nicht hier, Jim.“ Sie ging davon, wohin wusste sie nicht. Ihre Füße trugen sie von ganz allein. Jim lief ihr nach, doch sie ignorierte ihn gekonnt.
    Blödmann. Was fiel ihm ein, ihr einfach so eine Szene zu machen? Sie hatte ihn schließlich nicht gezwungen, sie zum Amt zu begleiten. Genau genommen hatte sie ihm sogar davon abgeraten. Da er sich einfach darüber hinweggesetzt hatte, war es ausschließlich seine Schuld, dass er nicht mit ihrer Vorgehensweise zurechtkam.
    „ Mel?“
    Sie hörte Jims Rufe zwar, reagierte aber nicht darauf. Wenn sie schon das Recht hatte, beleidigt zu sein, dann wollte sie das auch in allen Zügen ausnutzen. Schließlich hatte sie nicht allzu oft die Möglichkeit dazu.
    „ Bleib stehen, man!“
    Einige Menschen um Melica herum schienen sich angesprochen zu fühlen. Zumindest blieben sie stocksteif mitten auf dem Weg stehen und machten es Melica damit umso schwerer, einfach unbeirrt geradeaus zu laufen. Sie bewies jedoch die Grobmotorik einer Eiskunstläuferin, indem sie den störenden Passanten elegant auswich und nur zwei von ihnen grob anrempelte.
    „ Mel! Jetzt mal ernsthaft! Bleib stehen! Ich muss dir was zeigen!“
    Das klang ernst. So ernst, dass Melica sich seiner tatsächlich erbarmte. Mit hoch erhobener Augenbraue wandte sie sich ihm zu. „Was willst du?“
    „ Du bist direkt daran vorbeigelaufen!“, antwortete Jim anklagend und deutete auf eine Litfaßsäule, etwa zwanzig Meter von ihnen entfernt.
    „ Eine Litfaßsäule. Toll, Jim. Ich bin begeistert.“
    Jim schüttelte leicht den Kopf. „Bist du schon immer so anstrengend gewesen?“
    Das war nun schon das zweite Mal an diesem Tag, dass sie jemand als „anstrengend“ bezeichnet hatte. Eigentlich ein ganz guter Schnitt. Trotzdem war sie nicht zufrieden. „Du kennst mich seit 15 Jahren. Da solltest du so etwas Dummes gar nicht erst fragen müssen.“
    Jim sah so aus, als wollte er irgendetwas darauf erwidern. Leider schien ihm nichts Gescheites einzufallen, denn nach einem kurzen Augenblick des Schweigens griff er nach ihrem Arm und zog sie zurück zur Litfaßsäule.
    Unberührt ließ Melica dieses Prozedere über sich ergehen. Ihre Gleichgültigkeit verpuffte jedoch wie eine Fata Morgana in der Wüste, als ihr ins Auge sprang, was Jim ihr so unbedingt hatte zeigen wollen. „Oh mein Gott“, flüsterte sie ungläubig, während sie langsam ihren linken Arm hob und mit ihrer Hand über das kleine Plakat strich. „Das bin ja ich.“
    „ Du siehst die Ähnlichkeit also auch“, sagte Jim leise und richtete seinen Blick ebenfalls auf die sorgfältig angefertigte Zeichnung, die sie deutlicher zeigte als eine jede Fotografie.
    Natürlich sah sie die Ähnlichkeiten. Kurzes, braunes Haar. Hervorstechende Wangenknochen. Lippen, zu einem spöttischen Grinsen verzogen. Wenn man gezielt darauf achtete, konnte man sogar den kleinen Höcker auf ihrer Nase erkennen. Ein eisiger Schauer lief Melica über den Rücken. Von wem auch immer diese Zeichnung stammte – ihr Anblick musste sich felsenfest in das Gedächtnis des Künstlers gebrannt haben. Es machte ihr Angst.
    „ Wenigstens hast du jetzt endlich 'ne Möglichkeit, deinen komischen Luzius zu finden“, teilte ihr Jim ruhig mit.
    Im ersten

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