Kein Schatten ohne Licht
Internet. Und das hatte sich in ihrer bisherigen Schulzeit ein jedes Mal als Retter in der Not entpuppt. Irgendwo in den weiten Feldern des Internets war ihre Antwort versteckt, da war sie sich ganz sicher. Das Problem war nur, dass sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie sie an diese Antwort gelangen sollte.
Ihr Versuch, einfach nur nach dem Namen „Luzius“ zu suchen, war nicht sonderlich von Erfolg gekrönt gewesen. Sie wusste zwar nun alles über die Herkunft des Namens, kannte seine Bedeutung und allerhand berühmte Persönlichkeiten, die diesen Namen trugen, doch so wirklich weiter brachte sie dieses Wissen auch nicht. Dann hatte sie ihre Suche näher eingegrenzt und ein „Hamburg“ mit in die Kriterien geschrieben. Mit dem bemerkenswerten Erfolg, dass sie von Werbeanzeigen diverser hamburgerischer Firmen überschüttet worden war, Firmen, die in den besten Fällen fragwürdige, meistens aber eher grenzwertige Produkte anpriesen. Noch nie hatte sie Internetseiten so schnell und entsetzt schließen müssen wie am vergangenen Abend.
Nachdem sich ihre Versuche, Luzius über ihren Computer aufzuspüren, als klägliche Misserfolge herausgestellt hatten, war das Telefonbuch an der Reihe gewesen. Welches in Hamburg alles andere als dünn war. Dennoch hatte sie es versucht, hatte damit begonnen, jede einzelne Seite nach dem Vornamen Luzius zu durchstöbern. Durchgehalten hatte sie bis Seite 136. Sie mochte ja stur sein, doch selbst sie hatte irgendwann einsehen müssen, dass es eine Arbeit von Wochen sein würde, ein Telefonbuch, das alphabetisch nach Nachnamen sortiert war, nach einem Vornamen zu durchsuchen. Zumal in Telefonbüchern mit Sicherheit nicht alle Personen verzeichnet waren, die in der Stadt wohnten. Wenn Luzius überhaupt in Hamburg lebte. Er hätte genauso gut ein Tourist sein können. Zugegeben, es war nicht sonderlich normal für Touristen, alleine um zwei Uhr morgens durch eine fremde Stadt zu rennen, aber vollkommen sicher konnte sie sich da auch nicht sein.
Wenn sie ihre Bemühungen, Luzius zu finden, nicht einfach aufgeben wollte, blieb ihr also nur noch eine einzige Möglichkeit. Und genau aus diesem Grund war sie hier und fixierte eine unglaublich unglücklich aussehende Frau mit eindringlichen Blicken. Die diese ignorierte.
„ Es ist ziemlich fies von Ihnen, mir nicht zu helfen.“
„ Sind Sie schwerhörig? Ich habe es Ihnen doch bereits oft genug erklärt. Ich kann Ihnen nicht helfen.“
„ Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?“
Die böse Frau vom bösen Einwohnermeldeamt warf Melica einen bösen Blick zu. „Im Grunde genommen darf ich nicht. Aber wenn ich ehrlich sein soll, will ich das auch gar nicht. Nicht, nachdem Sie seit exakt acht Minuten mein Büro belagern und mich von meiner Arbeit abhalten.“
„ Ihre Arbeit ist es, Menschen die Adressen anderer Menschen zu verraten. Ich will, dass Sie mir sagen, wo Luzius wohnt. Ergo halte ich Sie ja wohl kaum von Ihrer Arbeit ab. Ich helfe Ihnen sogar.“
„ In den meisten Fällen wissen die Menschen aber mehr als den Vornamen der Person, die sie unbedingt finden wollen.“
„ In den meisten Fällen?“ Triumphierend blickte Melica sie an. „Also gibt es auch Ausnahmen?“
Eine Sekunde verging. Stille. Dann entließ die Frau genervt die Luft aus ihren Lungen. „Sie sind anstrengend.“
„ Das tut nichts zur Sache. Helfen Sie mir nun oder helfen Sie mir nicht?“
„ Ich helfe Ihnen nicht.“
„ Aber gerade eben haben Sie doch noch gesagt, dass Sie in Ausnahmefällen auch Adressen verraten, wenn man nur den Vornamen hat.“
„ In diesen Fällen haben die Suchenden aber immer gewisse Sicherheiten vorzuweisen. Ich muss mir hundertprozentig sicher sein können, dass durch meine Hilfe keine Gewaltverbrechen verübt werden.“
„ Sehe ich aus wie eine Drogendealerin oder so?“ Melica schüttelte ungläubig den Kopf. „Und überhaupt – glauben Sie ehrlich, dass richtige Verbrecher ausgerechnet das Einwohnermeldeamt um Hilfe fragen würden? Die haben doch ganz andere Wege, um ihre Opfer ausfindig zu machen!“
„ Ich habe wirklich keine Zeit, um mich mit Ihnen zu streiten.“ Die Frau mit den harten Gesichtszügen griff nach dem Telefon. „Sie haben drei Sekunden, um zu verschwinden. Andernfalls rufe ich die Polizei.“
„ Meine Schwester arbeitet bei der Kriminalpolizei. Der leitende Kriminaldirektor ist ein langjähriger Freund meiner Familie. Meinen Sie wirklich, dass mich diese Drohung sonderlich
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