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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Guenter
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noch nicht beruhigt, seine rotfunkelnden Augen brannten noch immer Löcher in ihren Verstand. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es möglich war, furchterregender auszusehen als er in diesem Augenblick. Melica hatte das Gefühl, dass sie etwas sagen musste, irgendetwas, um ihn zu beschwichtigen, doch ihr fiel nichts ein!
    In ihrer Panik tat sie das Dümmste, was sie hätte tun können: sie sagte das, was ihr als Erstes in den Sinn kam: „Läuft nicht sonderlich gut für dich, was?“
    Sie erkannte, dass sie sich geirrt hatte. Luzius gelang es, seinen eigenen Rekord zu brechen. Seine Muskeln schwollen auf bizarrste Art und Weise an und er wuchs in die Höhe, stetig und ohne Aussicht auf ein Ende. Melica wusste nicht, ob es ihr nur so vorkam, weil sie selbst so klein war, doch schon nach wenigen Sekunden hatte Luzius eine Größe erreicht, die alles andere alles normal war.
    „ Du machst mir Angst, Luzius!“, sagte sie. Sie glaubte selbst nicht daran, dass ihre Aussage irgendetwas bewirkte, doch ein Versuch konnte schließlich nicht schaden. Umso seltsamer, dass Luzius tatsächlich damit aufhörte, weiterzuwachsen. Und nicht nur das. Auch das seltsame Glühen in seinen Augen wurde schwächer, flackerte und erstarb zuletzt sogar ganz.
    „ Es tut mir leid“, sagte er mit einer Stimme, die nicht ihm zu gehören schien und die dennoch eindeutig aus seinem riesenhaften Mund dröhnte. „Ich habe die Beherrschung verloren.“
    Luzius Wut schien sich von einer Sekunde auf die andere in Luft aufgelöst zu haben, doch so hundertprozentig traute Melica dem Frieden noch nicht. Sie nickte misstrauisch.
    „ Ich bin nur einfach so enttäuscht, verstehst du?“, sprach Luzius weiter und strich sich verwirrt durchs Haar. „Ich war bereit, ihr ihren Wunsch zu erfüllen und sie fällt mir einfach in den Rücken. Ich hatte gar keine andere Wahl, als sie umzubringen!“
    Auf seine Weise machte dies vermutlich sogar Sinn. „Ich kann verstehen, dass du enttäuscht bist, aber... jemanden deshalb umzubringen ist schon ein bisschen übertrieben“, sagte Melica so behutsam wie irgend möglich.
    Allem Anschein nach nicht behutsam genug. Luzius Nüstern blähten sich auf, bis sie Ähnlichkeiten mit denen eines Stieres hatten. „Ich wusste, dass du so reagieren würdest. Oh, und wie ich es gewusst habe! Ich habe es gesehen! So wie ich alles sehe! Oh, wie ich es manchmal verfluche, in die Zukunft blicken zu können!“ Etwas Helles, Durchsichtiges lief mit einem Mal Luzius Wangen hinab und tropfte zu Boden. Es war kaum zu glauben, doch Melica brauchte tatsächlich mehrere Sekunden, um zu verstehen, was sie dort sah.
    Der Mann weinte! Luzius, der Teufel, der, der die Frau getötet hatte, deren Kopf Melica gerade durch die Gegend trug, wagte es tatsächlich, zu weinen!
    Allerdings bekam Melica gar nicht erst die Gelegenheit, um ihrer Verwirrung den gebürtigen Ausdruck zu verleihen, denn ehe sie sich versah, hatte sich Luzius vorgebeugt, sodass sein Gesicht ganz dicht vor dem Melicas schwebte.
    „ Das war nie so geplant“, flüsterte er dann und sein Atem streifte wie unbändige Hitzewellen über ihre Haut. „Eigentlich solltest du mich von alleine lieben. Doch ich will nicht länger warten.“
    Es war nur ein kleiner Teil, der sich veränderte, nur eine winzig kleine Nuance in Luzius Blick, doch es reichte aus. Melicas Horizont kippte. Ihr Himmel verschob sich. Der Mittelpunkt ihrer Welt wurde ein anderer.
    Vergessen waren die Schattenkrieger, vergessen war ihre Familie. Alles, was in diesem Moment zählte, war Luzius. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen, hell und strahlend und ihr Herz drohte zu zerspringen, als er es erwiderte. Luzius war ihr Leben, ihre Sonne, ihr Mond. Sie würde alles für ihn tun.

~*~
    Die nächsten Tage träumte Melica in Farbe und mit offenen Augen. Die Stunden vergingen wie im Rausch, flogen förmlich an ihr vorbei. Es stimmte wohl wirklich, was die Menschen sagten: wenn man glücklich war, dann verging die Zeit wie im Flug. Und Melica war glücklich. Mehr als das.
    Die Momente, die sie mit Luzius verbringen konnte, waren die besten ihres gesamten Lebens. Melica hatte nie gewusst, was ihr gefehlt hatte, hatte sich glücklich gefühlt, ohne wahres Glück tatsächlich zu kennen. Bei Luzius war sie angekommen, ohne jemals losgegangen zu sein. Jede Faser ihres Wesens betete darum, dass Luzius sie niemals allein ließ.
    Schon bei der bloßen Vorstellung, er könne sie verlassen, zog sich ihr totes Herz

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