Kein Schlaf für Commissario Luciani
richtig Angst. Jetzt frag schon.«
»Hör mal … als du runter bist, um das Büro zu säubern …«
»Hmm.«
»Das hast du gemacht … ja, ich meine, du hast das getan, weil du dachtest, ich wäre es gewesen?«
Die Pause dauerte ein bisschen zu lange. Giampieri hätte sein Gehalt dafür gegeben, das Gesicht der Mutter zu sehen.
»Aber was redest du, mein Kind, wie soll ich denn denken … Wie kommst du denn auf solche Ideen?«
Stille.
»Glaubst du immer noch, dass ich es war?«
»Giulio, hör auf. Bist du verrückt? Ich denke es nicht und habe es nie gedacht.«
»Und wenn ich es doch gewesen wäre? Was würdest du dann machen?«
Die Antwort kam nicht. Er setzte neu an: »Du weißt doch, dass wir manchmal absurde Dinge tun. In bestimmten |199| Situationen können wir alle an den Punkt kommen, wo wir Sachen machen … vielleicht sogar töten.«
Giampieri und die anderen in dem Abhörraum hielten den Atem an. Die grünen Dioden, die den Stimmpegel anzeigten, waren erloschen, nur die Hintergrundgeräusche aus der Bar verrieten, dass das Leben, irgendwo anders, weiterging.
»Warum willst du mir jetzt weh tun?«
»Ich will dir nicht weh tun.«
»Du denkst immer noch an diese alte Geschichte. Aber dein Vater war gerade erst gestorben, das weißt du, ich war erschöpft … ich hatte diese Medikamente genommen … ich hätte dir niemals etwas getan.«
Giampieri und Calabrò schauten einander fragend an.
»Nein, Mama, das ist es nicht.«
»Was dann?«
Die Stille schien sich zu materialisieren, schien den Raum mit einer zähen Flüssigkeit zu füllen.
»Was ist es? Sag’s mir.«
»Nichts, Mutter, nichts.«
»Schau mir in die Augen, Giulio. Schau mich an. Du bist doch nicht etwa derjenige, der … O Gott, das ist es, ich glaube es nicht, du denkst, dass ich … Du fragst mich, ob ich dich im Verdacht hatte, aber in Wirklichkeit … Aber Giulio, ich bin deine Mutter, gütiger Gott, wie kannst du annehmen, dass … O mein Gott, mein Gott, o mein Gott, hol bitte die Pillen, ich brauche meine Pillen!«
»Mama, bleib ruhig, Mama! Hör auf. Was hast du denn verstanden?«
»Nicht da, in der anderen Tasche.«
»Hier sind sie. Warte, trink ein bisschen Wasser. Bedienung! Bedienung, bitte! Ein Glas Wasser!«
Die Frau weinte und lamentierte, aber man konnte unmöglich sagen, ob sie Theater spielte oder aufrichtig war. |200| Der Sohn musste sie trösten, erklären, dass sie sich geirrt hatte, dass er nie und nimmer sie im Verdacht gehabt habe, ihm sei nur merkwürdig vorgekommen, dass sie so schnell saubergemacht habe, und deshalb habe er gemeint, sie hätte es getan, um ihn zu retten. Aber wenn sie es nicht deswegen getan hatte, dann …
Es vergingen einige Minuten. Die Kellnerin kam und sah nach, wie es der Mutter ging. Diese beruhigte sie, beklagte sich aber dann wieder bei ihrem Sohn, während sie die Bar verließen und Richtung Wohnung gingen. Sie versuchte mehrmals, die Sprache wieder auf den Mord zu bringen, doch er wiederholte nur: »Vergessen wir das, Mama. Das Thema ist beendet.«
Sie wollten gerade die Wanze abschalten, als die Mutter wieder loslegte.
»Außerdem war ich in der Wohnung. Giulio. Das weißt du.«
»Ich weiß es nicht. Ich schlief. Du hast mich geweckt, später als gewöhnlich, um Viertel vor neun. Ich weiß nicht, um wie viel Uhr Barbara gestorben ist. Ich weiß nur, dass die Tür nicht aufgebrochen wurde, und dass die Schlüssel, außer Barbara, nur du und ich haben.«
»Und die Putzfrau.«
»Okay, aber die wurde gesehen, wie sie wegging … Außerdem, wieso hätte sie Barbara umbringen sollen?«
»Ach, und ich dagegen? Erklär mir das mal: Warum bin ich deiner Meinung nach runtergegangen, habe die arme Barbara getötet, bin wieder hoch, habe dich geweckt, habe gewartet, dass du runtergehst und den Mord entdeckst, um dann wieder runterzugehen und die Spuren zu beseitigen?«
»Das denke ich nicht, Mama. Ich schwöre dir, dass ich das nicht denke. Aber als Anwalt muss ich dir ganz ehrlich sagen, dass es außer mir und, mit Einschränkungen, dir, |201| keine weiteren Verdächtigen gibt. Die Turones sind sauber, wie es aussieht. Morgen kommt wieder dieses Arschloch von Kommissar und wird versuchen, uns etwas anzuhängen, einen gegen den anderen auszuspielen. Wenn wir uns verteidigen wollen, müssen wir ehrlich sein, zumindest vor einander.«
»Ach, guten Tag Frau Mantero. Giulio …«
»Guten Tag.«
Irgendeine Nervensäge hatte sie auf der Straße angehalten. Giampieri verfluchte
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