Kein Schlaf für Commissario Luciani
gerade noch. Sein ehemaliger Vorgesetzter sollte besser nicht von seinen etwas unorthodoxen Methoden erfahren. Andererseits konnte es nur darum gehen. »Okay«, sagte er, »ich bin sofort da.«
Marco Luciani hatte in seinen Augen das Jagdfieber aufblitzen sehen.
»Die Dienststelle?«
»Genau.«
»Geh ruhig. Ich muss auch los, ich muss meine Windel wechseln und die Tauben füttern.«
»Tauben hast du doch immer gehasst.«
Sie lächelten einander zu wie in alten Zeiten, und Giampieri war sehr erleichtert. Jetzt konnte er in Ruhe ermitteln, ohne diesen langen und dünnen, gleichzeitig aber verflucht imposanten Schatten im Rücken.
|196| Zwanzig Minuten später stand der Ingenieur im Abhörraum. Mit der einen Hand bearbeitete er nervös ein Feuerzeug, mit der anderen drückte er sich einen Knopf ins Ohr.
»Sie sind eine Stunde früher als gewöhnlich in die Messe gegangen«, erklärte Vitone gerade, »um zehn statt um elf. Zum Glück hat Failla uns informiert, aber hier war sowieso alles bereit«, sagte er mit Fingerzeig auf den Techniker, der mit Aufnahmegerät, Kopfhörer, Stift und Notizbuch an seinem Tisch saß.
»Keine Notizen«, sagte Giampieri, »nur der Mitschnitt. Den werde ich behalten. Ihr wisst von nichts.«
Sie warteten eine Weile, bis schließlich Vitones Handy klingelte.
»Das ist Failla«, sagte er. Sie redeten kurz, dann berichtete er: »Sie sind vor wenigen Minuten aus der Kirche gekommen, Failla sagt, sie seien in einer Bar, Mantero hat das Handy angeschaltet und wieder eingesteckt. Sobald Sie möchten, funken wir es an.«
Giampieri nickte, der Techniker wählte den Code der Wanze in dem getürkten Handy, und diese schaltete sich lautlos ein. Es war für den Besitzer unmöglich, das hochempfindliche Kugelmikrofon in der Tasche zu bemerken.
»Erledigt.«
»Gut. Absolute Stille jetzt.«
Es verging ein Augenblick, ehe man, unerwartet klar und deutlich, Giulio Manteros Stimme vernahm.
»Was nimmst du?«
»Einen Tee mit Milch.«
»Für mich auch, danke.«
Der Anwalt und seine Mutter hatten sich nach dem Kirchgang in die Pasticceria an der Ecke gesetzt. Wie sie es seit sechs Jahren immer taten.
»Hast du Tassaras Tochter gesehen? Wenn du mich fragst, ist die schwanger. Die versucht das immer noch mit |197| diesen weiten Blusen zu kaschieren, aber für mich ist es inzwischen offensichtlich …«
»Vielleicht hat sie zugenommen.«
»Hör doch auf! Ich kann eine Übergewichtige von einer Schwangeren unterscheiden.«
»Und selbst wenn sie es wäre?«
»Dann würde ich gerne wissen, wer der Vater ist.«
»Wird der Dings da sein, der Sohn vom Maroni.«
»Quatsch, mit dem ist es doch seit Monaten aus. Vielleicht ist sogar schon ein Jahr vergangen. Und soweit ich weiß, hat sie keinen anderen.«
»Sie wird eine künstliche Befruchtung gemacht haben.«
»Hä? Was redest du denn? Meinst du, dass eine in ihrer Lage, ohne Arbeit, alleine ein Kind in die Welt setzen will? Sie ist auch wieder zu ihren Eltern gezogen.«
»Na und? Ist da etwas Schlechtes dran, wenn man bei den Eltern lebt?« Die Ironie in der Stimme war bis ins Abhörzimmer zu spüren.
»Jedenfalls hat die einen ganz schönen Bock geschossen, das sage ich dir. Die endet als alleinerziehende Mutter und liegt ihren armen Eltern auf der Tasche.«
Eine Zeitlang hörte man nur das Klappern der Löffel und die Hintergrundgeräusche der Bar. Dann begann Rita Valenti Mantero, über andere Bekannte, die sie in der Kirche gesehen hatten, herzuziehen. Giampieri schnaubte und warf Calabrò verzweifelte Blicke zu.
»Was für eine Schreckschraube. Wie hält er das nur aus mit ihr?«
»Echt. Wenn er schon jemandem den Schädel einschlagen musste …«
»Ich glaube, wir verschwenden hier unsere Zeit.«
Sie hörten noch eine Minute lang zu, dann fragte der Techniker: »Schalten wir ab? Wir sollten die Leitung nicht allzu lange blockieren.«
|198| Giampieri zögerte einen Moment, dann hatte er eine Idee: »Ja, schalten wir ab. Und dann rufen wir ihn einmal an.«
Er meldete sich unter einem Vorwand, fragte den Anwalt, wie es ihm gehe, sagte, sie kämen gut voran und würden am nächsten Tag vorbeischauen, um noch einmal ihn und die Mutter zu befragen. Dann legte er auf.
»Okay. Jetzt müsste er auf den Fall zu sprechen kommen.«
Sie warteten zwei Minuten, dann stellten sie die Wanze wieder an.
»Sicher«, sagte die Mutter.
»Aber ich will, dass du ehrlich bist.«
»Sag schon.«
»Schwör es.«
»Mein Gott, du machst mir ja
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