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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erster Körperkontakt seit ewigen Zeiten, und der Kommissar spürte, wie alle Kraft aus seinem Arm wich. »Versprich mir eines.«
    »Das wäre?«
    »Dass du vorsichtig bist. Vielleicht war es nur der Aussetzer eines Irren, es kann aber auch etwas ganz anderes dahinterstecken.«
     
    Die Euphorie über die Abhörattacke war nur von kurzer Dauer, dann hatten sie gemerkt, dass sie eine ganze Woche Arbeit in die Tonne kloppen konnten. Nicola Giampieri hatte sich in sein Büro eingeschlossen, er rauchte, kaute Fingernägel und betrachtete betrübt den Übersichtsplan des Mietshauses. Er konnte Calabrò erzählen, was er |207| wollte, aber je länger er über das mitgehörte Gespräch nachdachte, desto mehr war auch er überzeugt, dass Giulio Mantero und seine Mutter nicht die Mörder waren, auch wenn wohl mindestens einer von ihnen etwas verheimlichte. Aber wenn der Anwalt unschuldig war, ebenso wie die Turones, dann konnte er seine schöne Computergrafik vom Haus in der Via Bixio durch den Reißwolf jagen; der Mörder war womöglich wirklich ein unberechenbarer Irrer, der weiß der Geier woher gekommen war. Und nun hatte er auch noch eine Woche Vorsprung.
    Er zermarterte sich mit verschiedenen Theorien das Hirn, aber nicht eine war frei von Widersprüchen. Es war bereits Abend, als Stefania Boemi an die Tür klopfte. Der Schutzengel kam wie gerufen.
    »Sag mir, dass du gute Nachrichten hast.«
    Sie erwiderte sein Lächeln, das ganze Büro strahlte.
    »Das hoffe ich.«
    Sie war in Mailand gewesen, hatte mit Barbaras Freundinnen geredet. Alessia Quaglia hatte ihr nichts Interessantes erzählt, sie sah Barbara am wenigsten, nur im Sommer und manchmal am Wochenende, und sie tauschten keine großen Intimitäten aus. Dann war Stefania bei Michela Picco gewesen, von der sie sich mehr erhoffte. Bei der Lektüre der Vernehmungsprotokolle war ihr nämlich der Verdacht gekommen, dass sie den Kollegen, die bei ihr vorstellig geworden waren, so vage Auskünfte gegeben hatte, weil ihr Ehemann ihr nicht von der Seite wich. Es hatte genügt, die Liste der Pay-TV-Kunden zu kontrollieren, um ihn unter den Abonnenten des Fanpakets von Inter Mailand zu orten, und so war Stefania pünktlich zur Fußballübertragung gekommen und hatte Michela zu einem Spaziergang mitgenommen. Bei einer Tasse Espresso hatte sie dann das Foto aus dem Saffophone, dem Lokal in Santa Margherita, auf den Tisch gelegt. Michela weinte zehn Minuten ununterbrochen, |208| schließlich fing sie zu reden an, denn sie musste ihrem Herzen und ihrem Gewissen Luft machen.
    »Babi und ich, wir waren schon seit der Mittelschule Freundinnen. Wie Schwestern. Aber im Gymnasium haben wir, für kurze Zeit, gemeint, dass unsere Gefühle füreinander … noch tiefer gingen.«
    Stefania hatte nichts gesagt. Sie kannte diese Gefühle aus eigener Erfahrung. In einem gewissen Alter erschien einem die Umwelt schwarz oder weiß, man meinte, alles begriffen zu haben, aber wenn man in sich selbst hineinblickte, sah man nur einen grauen Nebel, wie bei einem gestörten Fernsehbild.
    »Für mich war es nur eine kurze Phase, bei ihr hat es etwas länger gedauert. Wir haben das auf ganz ungezwungene Art beendet, ohne großes Drama, auch wenn ich eine Zeitlang, für ein paar Jahre, den Eindruck hatte, sie wäre noch nicht ganz darüber hinweg. Die anderen haben davon nie erfahren, weder Tiziana noch Alessia, Tiziana hat möglicherweise etwas geahnt, manchmal schien sie mir ein wenig eifersüchtig, aber das ist vielleicht nur Einbildung. Die Schuldgefühle spielen einem manchmal einen Streich.«
    Stefania Boemi hatte höchst konzentriert zugehört, sich nicht ein Wort entgehen lassen. Sie hatte weder Aufnahmegerät noch Notizblock zücken wollen. Es war nur ein Plausch unter Frauen, hatte sie versprochen, um sich ein genaueres Bild zu machen. Niemand würde je davon erfahren.
    »Ich war überzeugt, dass die Zeit alle Wunden heilen würde. Wir hatten wieder eine schöne Beziehung zueinander aufgebaut, Babi und ich, eine andere als im Gymnasium, aber tiefer. Wenn sie zum Beispiel Probleme in der Familie hatte, dann vertraute sie sich mir an.«
    »Gab es denn solche Probleme? In der Familie?«
    »Nichts besonders Gravierendes. Die eines fünfundzwanzigjährigen Mädchens, das bei den Eltern lebt und |209| gerne unabhängiger wäre. Probleme hatte sie mit sich selbst, mit ihrer Identität. Ich habe es spät gemerkt, aber sie hatte unsere … Beziehung nicht überwunden. Ich hatte seitdem verschiedene

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