Kein Schlaf für Commissario Luciani
einen schönen Bericht für die Staatsanwältin und einen für den Psychologen. Wollen doch mal |262| sehen, ob das Profil zu dem des Täters passt. Bis dahin sollten wir ihn besser überwachen lassen.«
Als Stefania an der Tür war, sagte Giampieri, ohne aufzublicken:
»Boemi.«
»Ja?«
»Und in der Wohnung der Giolitti, hast du da auch etwas entdeckt?«
Er stellte sich ihre triumphierende Miene vor und geriet sofort wieder in Wallung.
»Ja. Dass sie ein großes Ehebett hat … und ein sehr bequemes Sofa.«
Also war nichts passiert. Sie hatte auf dem Sofa geschlafen. Giampieri war erleichtert, aber sofort danach merkte er, dass seine Erektion verpufft war.
»Ach, Herr Kommissar.«
»Bitte?«
»Da war gestern ein merkwürdiger Typ in dem Lokal. Er hat uns die ganze Zeit angestarrt, und bevor er wegging, kam er zu mir und sagte, ich solle Sie grüßen.«
»Wer soll das sein?«
»Er hat mir seinen Namen nicht gesagt, aber er war baumlang, spindeldürr und trug einen Bart. Stahlblaue Augen. Auf seine Art faszinierend.«
»Dieser Hurensohn«, murmelte Giampieri.
Sein Ex-Chef hatte wirklich einen sechsten Sinn, oder wahrscheinlich hatten ihm Barbaras Eltern Dinge anvertraut, die sie der Polizei verheimlicht hatten. Doch das war inzwischen unwichtig. »Wirklich Spitzenarbeit, meine liebe Stefania«, murmelte er, während er Amalias Handynummer wählte.
Er rief Venuti und die Serra an und setzte sie über die Neuigkeiten in Kenntnis. Die Staatsanwältin stellte einen Durchsuchungsbefehl |263| für Merlis Wohnung aus, der Termin wurde für den Folgetag, im Morgengrauen, festgesetzt; in der Zwischenzeit würden die Kräfte aus Rapallo Wohnung und Lokal überwachen. Nachdem man tagelang auf unwegsamen, dornenreichen Pfaden herumgeirrt war, spürten jetzt alle drei, dass es pfeilgerade Richtung Ziel ging.
Als Nächstes nahm er sich Barbaras Computer vor, auch wenn nun die Spur Maurizio Merli weitaus interessanter schien. Auf gut Glück durchforstete er die Dateien der Sekretärin, suchte nach etwas Auffälligem, fand aber nur Geschäftsbriefe ohne verdächtige Inhalte. Nach einigen Stunden klopfte es erneut an der Tür, er gab ein zerstreutes »Herein« von sich und sah sich Nadia Giolitti gegenüber. Ihr Haar war etwas verstrubbelt, sie hatte dunkle Augenringe und trug, wie gewöhnlich, Jeans und ein Top im Military-Look.
»Entschuldigen Sie die Verspätung, Herr Kommissar. Das war eine lange und … anstrengende Nacht für uns«, sagte sie mit einem augenzwinkernden Grinsen.
»Nun, ich denke, du hast den Schlaf nachgeholt«, sagte Giampieri mit einem demonstrativen Blick auf die Uhr.
»Ja, zum Teil.«
»Es gibt nichts Schöneres als so ein bequemes Riesenbett ganz für sich allein«, sagte der Ingenieur lächelnd.
Das selbstgefällige Grinsen wich aus ihrem Gesicht. »Boemi hat bereits Rapport erstattet.«
»Ach.«
»Aber jetzt sag du mir mal, wie es gelaufen ist.«
»Für einen ersten Annäherungsversuch sehr gut, würde ich sagen. Man kann ja nicht immer gleich am ersten Abend ins Schwarze treffen.«
Giampieri öffnete das Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Redeten sie über den Fall oder über Stefania?
|264| »Aber die Konstellation erscheint mir vielversprechend«, fuhr sie fort, »verständlich, dass erst mal eine gewisse Scheu da ist. Sobald die überwunden ist, lässt die Sache sich gewiss vertiefen.«
»Du willst es also noch einmal versuchen.«
»Klar. Von mir aus schon heute.«
Er wurde des Spielchens langsam überdrüssig. »Heute nicht. Heute Abend ruhst du dich aus. Bis dahin gehst du zu Calabrò, der braucht Unterstützung.«
Die Polizistin schlug die Hacken zusammen und salutierte ironisch.
»Ach, Giolitti.«
»Bitte?«
»Was hältst du von dem Mädchen? Gefällt sie dir?«
»Inwiefern?«, antwortete sie mit harter Miene.
»Beruflich, natürlich. Geht sie die Sache richtig an? Ist sie mit Leidenschaft dabei? Talentiert?«
Die junge Frau entspannte sich ein wenig. »Sie ist schlau. Äußerst schlau. Als Sie sie sahen, dachten Sie womöglich, da kommt das naive Mädel, das gerade erst unter Mamas Röcken hervorgekrochen ist und vom wirklichen Leben keine Ahnung hat. Nun, sie hat auch mich getäuscht, aber nur für fünf Minuten. Die weiß genau, auf welcher Seite ihr Toast gebuttert ist. Sie weiß, was sie will, und wie sie es bekommt«, sagte sie, wobei sie ihn fixierte.
Giampieri fühlte sich fast beleidigt. Auch er war nicht auf den Kopf gefallen, und
Weitere Kostenlose Bücher