Kein Schwein bringt mich um
Luna zu beschützen.
»War nur ein Joke, Dieter. Ehrlich gesagt rufe ich nur an, weil ich die Hausnummer vergessen habe«, drang es aus dem Lautsprecher.
»Vierzehn!«, brüllte ich ins Handy, noch unentschieden, ob ich mich freuen oder ärgern sollte.
»Okay, Chef, bin gleich da.«
»Sag Bescheid, wenn du Kontakt zu ihr aufgenommen hast, aber sofort!«, bellte ich zum Abschied und klickte das Gespräch weg.
Da ich keinen blassen Schimmer hatte, wer oder was mich zu Hause erwartete, machte ich einen Abstecher zum »Café Wildfang« in Dülmen-Downtown. Ich musste nachdenken, und das war in der Nannen-Villa bestimmt nicht möglich.
Nachdem ich einen Cappuccino geordert und erhalten hatte, lieà ich meinen Gedanken freien Lauf: Fünf Tage vor meiner Hochzeit hatte ich einen ScheiÃfall übernommen. Nun gut, dadurch hatte ich eine Ausrede, mich von der Nannen- und Schumann-Sippe fernzuhalten, aber das war auch der einzige Punkt auf der Habenseite. Auf der Sollseite standen eine unsympathische Auftraggeberin, Grabowskis Beauftragung, die stets in einem Chaos endete, und ein Fall, der viel Herumrennerei und -fragerei bedeutete.
Das Pendel schlug eindeutig in Richtung Haben aus. Ich fragte Tereza â nette Kellnerin und passionierte Passiv-Tätowiererin, der ich mal bei der Suche nach ihrer verwirrten Mutter geholfen hatte â nach einem Telefonbuch. SchlieÃlich galt es, einige Adressen zu checken.
»Leider keines da, aber du kannst gerne mein iPad haben.«
Besser gingâs nicht. Drei Koffeingetränke später hatte ich bereits eine Menge herausgefunden. Luna Mancini war tatsächlich schon dreimal verheiratet gewesen und ebenso oft geschieden worden.
Ehemann Nr. Â 1:
Heiner Menke, Alter unbekannt. AuÃer der Anschrift, LuisenstraÃe 22 in Dülmen, und der Telefonnummer war nichts über ihn zu finden.
Ehemann Nr. Â 2:
Christian Kramszik, einundfünfzig Jahre alt, Sänger und Entertainer. Wohnhaft in der KiepenkerlstraÃe 17 in Münster. Seine Homepage offenbarte tiefe Abgründe: Rechtschreibfehler en masse, grelle Farben, Referenzen von drittklassigen Lokalen, wo er zum Tanz aufgespielt hatte â das am weitesten entfernte lag im Frankfurter Bahnhofsviertel â, und ein Foto, das an Rex Gildo erinnerte, allerdings zwei Jahre nach seinem unrühmlichen Ableben. Eine CD konnte man auch bestellen. Titel wie »Gruà und Kuss, meine Venus«, »Allein im Bett ist gar nicht nett« oder »Madame XXL , jetzt aber schnell« erzeugten Entenpelle bei mir, verbunden mit dem Wunsch, die Homepage des Schreckens zügig zu verlassen. Ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie Luna und Christian vor dem Scheidungsrichter standen und als Begründung für die Trennung »musikalische Differenzen« angaben.
Ehemann Nr. Â 3:
Georg Deitert, sechsundfünfzig Jahre alt, Inhaber mehrerer Gaststätten in Havixbeck, Coesfeld, Gladbeck und Bottrop. Die Namen der Lokale deuteten nicht auf Sternerestaurants hin: »Rote Liebe«, »Dat Fass« und zweimal »Zwetschgenbaum«. Ich klickte mich ein wenig durch die Homepages der Lokale. Am langweiligsten war die Seite vom »Fass«: Ãffnungszeiten (täglich von 16 bis 24 Uhr, Montag Ruhetag) und eine Getränkekarte, die einiges über die Klientel aussagte: Pils â¬Â 1.20, Korn â¬Â 1.00, Wacholder â¬Â 1.00, Kümmerling â¬Â 1.00, Cola, Fanta, Sprite, Wasser â¬Â 1.  00. Im »Zwetschgenbaum« war die Getränkekarte umfangreicher, und die offerierten Mixgetränke schienen auf ein jüngeres Publikum hinzudeuten. Des Weiteren wurden regelmäÃig Bagger-Events wie »Lady sucht Gentleman«, »Bauer sucht Frau« oder »Topf findet Deckel« durchgeführt. Wäre ich nicht mit Karin liiert gewesen, hätte ich sofort alles stehen und liegen gelassen und wäre dorthin gedüst. Das Konzept der »Roten Liebe« war dem des »Zwetschgenbaum« nicht unähnlich, allerdings sollte hier wohl ein älteres Publikum angesprochen werden: Tanztee-Veranstaltungen und Discofox-Nächte für einsame Menschen jenseits der vierzig sowie Schlagerkonzerte für die Freunde des guten musikalischen Geschmacks. Und siehe da: Einmal im Jahr, und zwar zu den mit »legendär« titulierten Weihnachtskonzerten, trat Luna Mancini in der »Roten Liebe« auf. Karten nur per
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