Kein Schwein bringt mich um
eine Sammlung von Liedern, die einem entweder selbst besonders gut gefielen oder von denen man annahm, dass die jeweils aktuelle Freundin sie gut finden würde. Dazu gab es dann selbst gefertigte Cover, die je nach Wichtigkeit der zu beschenkenden Person aufwendig oder weniger aufwendig gestaltet waren.
Sowohl Ronny als auch ich waren Meister im Kompilieren und Layouten von Mix-Tapes gewesen, wobei ich beim Buhlen um dieselbe Frau immer einen groÃen Vorteil gehabt hatte: Während Ronny nämlich ausnahmslos die eigenen Lieblingssongs auf Kassette bannte, lieà ich auch Lieder einflieÃen, von denen ich annahm, dass sie auch der jeweiligen Adressatin gefallen würden. Missionarischer Eifer war nicht angesagt, wenn es darum ging, ein Date mit einer Lady zu ergattern.
Genug schwadroniert. Ich schnappte mir die Kassette, auf die vorne die Eishockeymaske von Slapshot gepinselt war. Die Songliste las sich dann auch wie das Who is Who der Hardcore-Szene: Slapshot, Circle Jerks, Cro-Mags und sechzehn weitere Kracherbands.
Genial. Man brauchte nur eine DreiÃiger-Kassette, um knappe zwanzig geniale Musikeruptionen unterzubringen. Sofort verspürte ich den Riesendrang, mir die Mucke reinzupfeifen, aber wie, ohne Abspielgerät? Wie zufällig fiel mein Blick durchs Fenster auf Peters vor sich hin rostende Schrottkarre.
Flugs griff ich Grabowskis Schlüssel vom Wohnzimmertisch und verzog mich ins Auto. Hätte wetten können, dass das Autoradio in seiner antiken Blechkiste über einen Kassettenspieler verfügte, und so war es dann auch. Geschmeidig das Tape in den Schacht geschoben und die Lauscher auf Empfang gestellt:
»When weâre on the road, we canât be stopped, weâre gonna go until we drop, only two hundred miles to go, step on it we canât be slow, step on it, step on it, step on it, step on it â¦Â«
Untermalt von dieser exquisiten Beschallung machte ich mich über den Rest des Päckchens her. Sangers Analyse der drei Drohbriefe war so blumig wie nichtssagend. Alle drei waren definitiv von derselben Person angefertigt worden, denn der Verfasser hatte es nicht für nötig befunden, die Fingerabdrücke abzuwischen. Leider waren die Abdrücke aber bisher in keiner polizeilichen Datenbank erfasst worden.
Bei der Tageszeitung, die für den ersten Drohbrief verwendet worden war, handelte es sich um die BILD , bei der Illustrierten um Echo der Frau. Laut Ronny musste die Wahl der Zeitschrift eine Finte sein, denn er war sich aufgrund des dritten Briefes sicher, dass der Verfasser ein Mann war. Die Druckbuchstaben waren zwar mit der falschen Hand gepinselt worden, aber aufgrund etlicher Indizien, die ich jetzt nicht im Detail wiedergeben möchte, da langweilig, lieà sich mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit konstatieren, dass es sich nicht um eine Frau handelte. Das Alter bezifferte Ronny mit »wahrscheinlich jünger als fünfundsechzig«, den Gemütszustand als »psychisch labil mit gelegentlichen depressiven Verstimmungen«.
Die Analyse endete mit dem Hinweis, dass der Schreiberling noch nie ein Punkkonzert besucht hätte, Ronny aber gerne mit mir auf das in zwei Wochen stattfindende Agnostic-Front-Konzert gehen würde. Als Dank für seine Analyse dürfte ich dann auch den Eintritt übernehmen.
Alter Geizkragen.
Das waren auch die ersten beiden Worte, nachdem ich mein Handy gezückt, Ronnys Nummer in die Tasten gehämmert und ihn höchstpersönlich an der sogenannten Strippe hatte.
»Und heiÃen Dank für das Tape und die Analyse.«
»Konntest du damit was anfangen?«
»War sehr hilfreich, danke«, flunkerte ich.
»Und wie schaut es aus mit Agnostic Front, bist du am Start?«
»Klar, und als besonderen Service hole ich dich sogar ab und übernehme den Eintritt. Deine Biere löhnst du aber selbst, damit das klar ist.«
»Super, dass das noch hinhaut, wir beide auf einem Punkkonzert. Also, ich erwarte dich Freitag in einer Woche um sieben bei mir. Könnte es sein, dass du gerade mein Tape hörst?«
»âºI see it on the streets â as we walk by â what little value we place on human lives â but itâs time we get priorities â wonât turn away any longer â itâs time we make a change!â¹Â« , shoutete ich in den Hörer. Ich erreichte zwar nicht Ray Cappos Angepisstheit, punktete aber zumindest mit
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