Kein Sex ist auch keine Loesung
und auf
Pappen aufgezogen werden. Es ist zum Wahnsinnigwerden. Wie konnte ich nur einen so offensichtlichen Fehler überlesen? Es ist
doch |85| immer dasselbe. Irgendwann wird man einfach betriebsblind. Und ist ein solcher Schnitzer erst einmal durchgegangen, dann übersieht
man ihn jedes Mal.
Rolf, der ja zum Glück nie die Fassung verliert, versucht mit ernster Miene, die beiden Graphiker zu erreichen, damit der
Fehler so schnell wie möglich korrigiert werden kann. Keine Ahnung, wie er meint in der kurzen Zeit dann auch noch die Dateien
neu ausdrucken und zwei neue Umverpackungen bauen zu können.
Rolf erwischt den einen beim Kitesurfen auf Fehmarn und den anderen bei seinen Eltern in Mönchengladbach. Verständlicherweise
hat keiner von beiden Lust, mal eben schnell zurück in die Agentur zu düsen, um hier ein paar Überstunden zu schieben. Und
da komme ich ins Spiel.
«Äh, ich könnte die Daten ja später bei Elisa vorbeibringen. Sie wohnt bei mir in der Gegend, und freie Mitarbeiter haben
ja bekanntlich immer Zeit, um nochmal kurzfristig ein paar Stunden Arbeit abzurechnen.»
Ich hätte nicht gleichgültiger klingen können, wenn ich vorgeschlagen hätte, mal kurz das Treppenhaus zu feudeln.
«Und wenn sie das Wochenende über auch nicht zu Hause ist?», will Rolf logischerweise wissen.
«Sie ist zu Hause, äh, jedenfalls hat sie darüber gestern noch mit Kirsten geplaudert.»
Ein Lügendetektor hätte mich vielleicht überführt, Rolf dagegen nicht.
«Tja, das wäre ja toll. Dann können wir Montag wie geplant mit den Fotos loslegen.» Nachdem er kurz überlegt hat, fügt er
mit zuversichtlicher Stimme hinzu: «Schlimmstenfalls müssen wir nochmal eine Nachtschicht einlegen.» |86| «Das wird bestimmt nicht nötig sein. Spätestens Sonntagvormittag hat Elisa die CD, dann müsste sie alles bis Montag schaffen.»
Bingo! Und ich kann so das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und mich unauffällig zu dem von Nadja vorgeschlagenen Frühstück
einladen.
Leichter gesagt als getan, denn als ich gegen 18 Uhr zu Hause aufschlage, muss ich feststellen, dass ich zwar einigermaßen froh über diesen geschäftlichen Anlass der Kontaktaufnahme,
gleichzeitig aber unangemessen nervös bin. Mit schwitziger Hand greife ich zum Telefon. Bewusst unvorbereitet, damit ich witzig
und spontan drauflosquatschen kann.
Es klingelt. Zweimal, dann geht Elisa ran. Meine Atmung und meine Stimme erweisen sich überraschenderweise als recht unzuverlässige
Gefährten in Sachen spontanem Draufloslabern.
«Hallo? Wer ist denn da?», fragt Elisa nun schon zum zweiten Mal.
Los jetzt, sprecht!, befehle ich meinen abtrünnigen Stimmbändern.
«Ährrrg» ist alles, was ich höre.
«Hallo?»
Zum Glück ist Elisa neugierig. Ich hätte im umgekehrten Fall vermutlich längst aufgelegt.
«Häähäm», quiekt es jetzt.
Immerhin, der Ton ist schon da, ich muss nur noch ein richtiges Wort daraus bauen. Spätestens jetzt dürfte sie mich für einen
kompletten Idioten halten.
«Elisa, äh, hier ist Tom.»
|87| Ich kann meine Stimme kaum wiedererkennen.
Sie wohl auch nicht. «Tom? Bist du es?»
«Ja. Hallo auch.»
Gut, das war jetzt noch nicht ganz so spontan und witzig, aber ich fange ja auch gerade erst an. Passen Sie mal auf:
«Elisa, ist etwas mit deinem Telefon nicht in Ordnung? Du hörst dich ganz komisch an. Irgendwie … verzerrt.»
Na, wie war das?
«Das ist in der Tat komisch, ich spreche nämlich gerade auf der anderen Leitung mit meiner Mutter, und der scheint nichts
aufgefallen zu sein.»
«Äh … na, egal. Elisa hör zu, es brennt …»
Ja, ich weiß. Böse Zungen würden behaupten, ich hätte mehr Glück als Verstand, weil ich mich nach einem hundsmiserablen Kaltstart
doch noch zum Rundensieger mausere. Indem ich es nämlich schaffe, Elisa die Sonntagsarbeit aufs Auge zu drücken, und mich
gleichzeitig zum Frühstück am nächsten Tag bei ihr einlade.
«Woher wusstest du nur, dass dies die einzige Möglichkeit ist, wie man einem verlorenen Sonntag einen Sinn geben kann?», fragt
Elisa mit gespielter Strenge und zeigt auf das Nutella-Glas in meiner Hand. Sie entreißt mir die Schokocreme, die ich noch
auf der Türschwelle aus der Tüte mit den Sonntagsbrötchen zutage befördert habe, und küsst mit spitzen Lippen den Deckel.
«Du hast verdammt Glück gehabt, mein Lieber, sonst hättest du deine Puddingschachteln nämlich selbst zusammenkleben
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