Kein Sex ist auch keine Loesung
nach Eppendorf und treffe nur unwesentlich zu spät im Café
Neo
ein.
|13| Meine Mutter – wie gesagt, ich bin tatsächlich mit meiner Mutter verabredet – sitzt bereits an einem der Tische, wo sie von
einem Pulk italienischem Servicepersonal umschwirrt und hofiert wird. Und immer wenn wir uns längere Zeit nicht gesehen haben,
überrascht es mich, wie attraktiv sie ist. Denn obwohl sie sich rein rechnerisch inzwischen auf die 50 zubewegen müsste, sieht
sie keinen Tag älter als 38 aus.
«Ciao Tomaso, come stai …»
Freudestrahlend und kein bisschen mütterlich küsst sie mich zur Begrüßung auf die Wange, und – bingo! – die neidvollen Blicke
der testosteronüberfrachteten Kellnertraube durchbohren mich ungeniert. Meine Mutter macht gern einen auf rassige Südländerin,
dabei hat sich meine Großmutter unseren italienischen Nachnamen vor längst vergangenen Tagen schnöde angeheiratet.
«Na, wo hast du dich wieder rumgetrieben?», kommentiert sie mein noch feuchtes Haar, während sie gleichzeitig Giuseppe, ihrem
größten Fan unter der Belegschaft, schelmisch zuzwinkert. «Zweimal das große Frühstück und eine Unmenge Cappuccino.» Dann
scheucht sie die Truppe energisch mit den Händen in Richtung Küche und wendet sich wieder mir zu.
«Nein, stopp – ich will es gar nicht wissen. Eine Schande, dass ich es nicht geschafft habe, einen anständigen Menschen aus
dir zu machen», seufzt sie.
Vergib ihr, sie ist eine Mutter, sie kann nicht anders … Im Geiste spreche ich das Mantra, das mich in Momenten wie diesen daran hindern soll, sie mit ihrem Halstuch zu strangulieren.
Es vergeht nämlich kein Treffen, bei dem sie nicht ihre Verzweiflung darüber kundtut, dass ich Träger |14| des miserablen Erbguts meines Vaters bin. Und wenngleich sie auch die Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann, so lässt
sie sich zumindest keine Gelegenheit entgehen, an der Zukunft zu drehen.
«Ach Mama! Die Frauen, du weißt doch …» Ich lasse genauso ungern eine Gelegenheit aus, sie mit der rauen Wirklichkeit zu konfrontieren.
«Sag nicht Mama zu mir», flüstert sie mir beschwörend zu, «sag mir stattdessen lieber, dass du mich wenigstens vor unehelichen
Enkelkindern bewahrst – und dich damit gleichzeitig vor dem finanziellen Ruin.»
Sie macht eine Pause und blickt mich ähnlich hypnotisierend an wie ein Hund die Fleischtheke.
«Theresa …» Ich finde es ja irgendwie eigenartig, seine eigene Mutter mit dem Vornamen anzureden, aber sie kann mütterliche Kosenamen
nun mal nicht ausstehen, und ich will es mir nicht schon vor dem Frühstück mit ihr verderben. «Da ich ganz sicher nicht vorhabe,
mich fest an eine Frau zu binden, darfst du mir gern zutrauen, dass ich
diesen
Gau erst recht zu verhindern weiß.»
|15| Damit das hier nicht falsch verstanden wird: Ich mag Frauen. Wirklich. Man kann sogar sagen, ich bewundere sie. Denn dafür,
dass sie, statistisch gesehen, pro Tag ungefähr 48,2 Probleme bewältigen – allein neun davon schon vor dem Aufstehen –, kann man mit ihnen auch verdammt viel Spaß haben. Ansonsten aber rate ich jedem davon ab, sich tagtäglich mit einer Frau
48,2 Probleme, ein Leben oder auch nur eine Wohnung zu teilen. So verlockend die Aussicht auf regelmäßigen Sex auch sein mag, der
Aufwand steht hierzu in keinem Verhältnis.
Zum Glück haben mich sechs Jahre Agenturerfahrung, zwei abgeschlossene Lehrgänge in Werbepsychologie und eine angeborene Begabung
für logisches Denkvermögen bislang davor bewahrt, mir das Überflüssigste, das es im Leben gibt, andrehen zu lassen:
eine Frau.
Ich korrigiere: eine feste Beziehung mit einer Frau.
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2.
Montagnachmittag. Ein Tag, an dem man, neben der menstruierenden Buchhalterin und einem Kratzer auf der Beifahrerseite seines
historischen Alfa, keine weiteren Katastrophen erträgt.
Die Sonne knallt auf die zu jeder Jahreszeit falsch klimatisierten |16| Räume. Mein naturfaserfreier Outlet-Anzug erspart mir nicht nur, wie vom Hersteller versprochen, lästige Knitterfalten, er
würde mich auch – in Kombination mit ein paar Fahrradklammern – sicher durch AB C-Waffen -verseuchtes Gebiet bringen. Hierbei handelt es sich um ein weitestgehend unerforschtes, osmotisches Phänomen, wie ich meine.
Anders lässt es sich wohl kaum erklären, dass ich zwar übelriechende Ausdünstungen an meine Umgebung abgeben, aber meinem
verklebten Körper keine frische Luft
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