Kein Sex ist auch keine Loesung
zuführen kann. Ich schwitze wie in meiner ersten Tanzstunde. Und die Tatsache, dass selbst
Mimi, der zottelige Agenturhund – von dem niemand so genau weiß, wem er eigentlich gehört –, jedes Mal mit angewidertem Blick den Raum verlässt, sobald ich auf der Bildfläche erscheine, ist wohl das sicherste Zeichen
dafür, dass mein Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Nur noch einen Kostenvoranschlag zum Kunden faxen und dann ab nach Hause,
unter die kalte Dusche.
Im Sommer gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem weiblichen Geschlecht ja noch wesentlich komplizierter als im wohltemperierten
– in Hamburg in vielerlei Hinsicht unterkühlten – Rest des Jahres. An Tagen über 20 Grad Celsius verspüre ich beim Verlassen meiner Wohnung manchmal zumindest den Hauch einer Ahnung, was die im Radio immer
mit «gefühlter Temperatur» meinen. Nämlich genau dann, wenn ich bei tatsächlichen 22 Grad Nadine (attraktive Nachbarin mit großen Brüsten) im Treppenhaus treffe, die mit nur wenig mehr als der christlichen Nächstenliebe
bekleidet ist, und sich das augenblicklich wie 32 Grad anfühlt. Tendenz steigend.
Mal ehrlich, das kann sich eigentlich nur eine Frau ausgedacht |17| haben. Das mit der gefühlten Temperatur, meine ich. Nur eine Frau ist in der Lage, genormte physikalische Größen wie Fahrenheit
oder Celsius so geschickt in eine ‹Wischi-waschi-lass-uns-das-lieber-ausdiskutieren-Unbekannte› zu verwandeln, dass ganz Hamburg
einen Regenschirm einsteckt, wenn die Radiomoderatorin ein Unwetter kommen fühlt.
Auf dem Weg zum Faxgerät überlege ich, was wohl geworden wäre, wenn ich doch die verdammte Banklehre absolviert hätte, zu
der mich mein Onkel Hans überreden wollte.
Damals, als sich wieder mal alle zusammengefunden hatten, um gemeinsam darüber zu beraten, was aus mir elfjährigem Nichtsnutz
bloß werden soll. Und das nur, weil ich Idiot mich mit Gabi (frühreife Mitschülerin zwei Klassen über mir) auf dem Klo habe
erwischen lassen. Dabei hatten Gabi und ich einen Deal unter Geschäftsleuten: Für |18| vier Mark wollte sie mir ihre Brust zeigen. Eine allerdings nur, denn mehr konnte ich mir von meinem Taschengeld nicht leisten.
Bereits auf dem Weg zur Toilette fummelte sie derart aufgeregt an ihrer Bluse herum, dass ich allein dafür schon mein ganzes
Geld hergegeben hätte. Andererseits war spätestens dies der Zeitpunkt, an dem ich bitter bereute, meine Kumpels Vince und
Luke nicht mit ins Boot geholt zu haben. Gemeinsam hätten wir vielleicht genug Erspartes zusammengekratzt, um auch mal anfassen
zu dürfen. Dafür wollte Gabi nämlich zehn Mark haben, was ich im Frühstadium meiner sexuellen Evolution jedoch als überteuert
empfand. Dass sich die Dinger wirklich so gut anfühlen, sollte ich ja erst viel später erfahren.
Aber zurück zu Gabi. Es hätte alles so schön werden können. Doch, wie so oft im Leben, wenn man sich kurz vorm Ziel wähnt,
lauert das Böse in einem Hinterhalt, um einen dort heimtückisch niederzustrecken.
Peng!
Ich hatte gerade die Kabine der Damentoilette hinter uns geschlossen, Gabi war bereits beim vorletzten Knopf ihrer Bluse angelangt
und hatte damit den Blick auf ein blütenweißes Spitzenunterhemd freigelegt, als mich eine ausrangierte Radioantenne wie ein
Peitschenhieb ins Kreuz traf. Geräuschlos ging ich zu Boden, schlug mir den Kopf an der Kloschüssel auf und versuchte aus
meiner strategisch ungünstigen Position den Angreifer auszumachen.
Frau Virl, meine Klassenlehrerin, lugte über die Toilettentrennwand und versuchte krampfhaft, ein weiteres Mal auf mich einzudreschen.
Gabi nahm kreischend Reißaus, wobei sie mir die Klotür in die Flanke rammte und mich so zwischen Schüssel, |19| Wand und Tür einklemmte. Dummerweise schaffte sie auf diese Art Platz für Frau Virl, die die Gunst des Augenblicks nutzte
und mir durch ihren mit Schwarzwälder Kirschtorte überfütterten Leib den Fluchtweg versperrte.
Zudem riet mir eine innere Stimme, dass es meiner ohnehin fragwürdigen Versetzung nicht dienlich gewesen wäre, sich anstandslos
aus dem Staub zu machen. Im Nachhinein kann ich sagen, noch schlimmer, als sich 1,5 Quadratmeter mit seiner 4711 ausdünstenden Klassenlehrerin teilen zu müssen, ist, dabei auch noch von gaffenden Mitschülern angefeuert
zu werden.
Meine Schmach potenzierte sich allerdings zu Hause, als ich Frau Virl im Beisein meiner schadenfrohen Mutter und von Gabis
verklemmtem
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