Kein Sex ist auch keine Loesung
nicht. In der
Hinsicht sind Männer ja manchmal erstaunlich empfindlich.
Andererseits ist mit Frauen, die in ihrer Ehe vernachlässigt werden, ebenfalls nicht gerade gut Kirschen essen. Da kann so
eine Absage leicht mal eine hysterische Überreaktion auslösen, von der man nicht weiß, gegen wen oder was sie sich richtet
– mein Etat allerdings könnte dabei durchaus auf der Strecke bleiben.
Ein klassischer Fall von Zwickmühle, würde ich sagen. Wieso passiert eigentlich immer mir so etwas? Am besten werde ich jetzt
einfach da hochgehen und Lydia erklären, dass ich davon Abstand nehmen möchte, mich von ihr zu ehebrecherischen Handlungen
verleiten zu lassen.
Frauen können ja manchmal auch verhältnismäßig komplexe |139| Materie begreifen, vorausgesetzt, man erklärt ihnen die Zusammenhänge einige hundert Mal langsam und ausführlich. Dann sind
sie sogar in der Lage, binomische Formeln zu verstehen. Oder den Dreisatz. Möglicherweise auch die Beweggründe eines Mannes,
der in Not handelt.
Kaum zu glauben, aber dies wäre dann bereits der zweite «Notfall» in meinem Leben, sprich: das zweite Nein zu einer Frau,
die sich mir anbietet.
Beim ersten Mal war ich siebzehn und hatte mich von meiner Mutter und ihrem damaligen Freund überreden lassen, mit in den
Urlaub auf einen Campingplatz nach Meran zu fahren. Weil es draußen regnete, zerrte mich die süße Carla in den Wohnwagen ihrer
Eltern, die so streng katholisch waren, dass sie sogar ihre Wurst nur von geweihten Oblaten aßen. Deshalb beschlich mich auch
leises Unbehagen, als ich Carlas schnarchenden Vater in dem Wohnwagen liegen sah – nur durch eine Stoffgardine von dem Klapptisch
getrennt, auf dem sich gleich die pure Sünde zutragen sollte.
Nennen Sie mich feige, aber lieber hätte ich freiwillig meine Leber gespendet, als mir im Affekt von wütenden 180 Kilo Lebendgewicht den Schwanz abschneiden zu lassen.
Doch zurück zum Ausgangspunkt.
Ich befinde mich also auf dem Weg zum Schafott. Auf dem Weg in Lydias Zimmer. Und die Bedenken in meinem Kopf platzen auf
wie die Herpesbläschen nach jedem Wochenende auf Klaus’ Oberlippe. Was, wenn das alles nur ein perfide eingefädelter Test
ist, um die Seriosität der Agentur auf die Probe zu stellen? Oder was, wenn Lydia öfter solche Stunts baut und ihr Mann schon
erwartungsvoll |140| auf dem Balkon lauert, um mich in flagranti von hinten zu erschießen? Genau so einer ist er nämlich. Ein heimtückischer Von-hinten-Erschießer.
Peng! Keine Diskussion. Kein fair ausgetragenes Duell im Morgengrauen. Keine Gnade!
Des Weiteren fällt mir auch gerade keine angemessene Art und Weise ein, Rolf beizubringen, dass ich meine Mission vergeigt
habe, und vor allem, warum.
Schade wäre es auch um das neue Auto.
Voll von schlechten Gedanken und guten Vorsätzen, klopfe ich an die Tür zu Lydias Zimmer.
«Es ist offen», zwitschert es von drinnen.
Ich betrete eine Suite, gegen die meine Hamburger Wohnung ein Dixi-Klo ist – Balkon inklusive. Der geräumige Flur geht über
in Schlaf- und Wohnraum, wobei Lydias Stimme glücklicherweise aus dem Wohnbereich zu kommen scheint.
Beherzt schreite ich durch den Flur. In der Mitte des Wohnzimmers steht ein üppig gedeckter Tisch, übersät mit silbernen Häubchen,
wie man sie aus Loriots
Ödipussi
kennt. Daneben wartet, eisgekühlt, eine Flasche Champagner. Mein Blick gleitet weiter zum Kopfende des Tisches. Dort sitzt
Lydia.
Nackt.
Abgesehen von Spinnen, die ihre Männchen nach dem Sexualakt verspeisen, gibt es sicher auch Beispiele aus der Tierwelt, bei
denen das Männchen den Paarungsakt überlebt. Schwer verletzt, eventuell sogar verstümmelt, aber es lebt.
Mein Schwanz rät mir, es darauf ankommen zu lassen. Ich kann auch gar nicht mehr anders. Denn wenn ich jetzt |141| nein sage, wäre das ungefähr dasselbe, als würde man sein Geburtstagsgeschenk erst in Ruhe auspacken, um anschließend zu gestehen,
dass man gar nicht Geburtstag hat.
«Setz dich und greif zu», haucht Lydia mit spitzen Lippen. «Ich habe uns etwas Leichtes bestellt, du magst doch Hühnchen,
oder?»
Brüstchen, Beinchen, ich mag alles.
«Äh, ja, ja, klar doch», stottere ich blutleer und frage mich gleichzeitig, wieso wir uns denn jetzt noch mit Essen aufhalten
sollen. Bringen wir es einfach schnell hinter uns, damit ich meinen Höhepunkt noch erlebe.
«Und zum Nachtisch gibt’s dann Pudding! Hahaha.» Lydia freut sich dermaßen über
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