Kein Sex ist auch keine Loesung
ihren eigenen Witz, dass ihre Brüste wippen.
Das wiederum freut mich, und ich entspanne mich etwas. Es scheint auch kein Ehemann auf dem Balkon zu lauern.
«Na dann, guten Appetit!», sage ich und greife schamlos zu.
Erst Vorspeise, dann Hauptgang und dann Pudding. Für eine Million Euro Pudding.
Ich nehme an, Sie sind enttäuscht von mir. In gewisser Weise bin ich das auch. Aber es geht hier nicht nur um mich. Es geht
um mehr.
Zu meiner eigenen Verteidigung kann ich an dieser Stelle noch anführen, dass ich durchaus noch einmal kurz daran dachte, das
Ganze nach dem Hauptgang abzubrechen, um stattdessen artig mit einem Bier vor dem Fernseher zu verschwinden. Als Lydia jedoch
den Nachtisch auf meinem Schoß servierte, dachte ich an Rolf, an meine 14 Kollegen |142| und den guten Zweck und dass sich schließlich einer opfern muss.
Danach dachte ich nicht mehr viel.
Außer vielleicht in einem kurzen Augenblick, in dem alles zu scheitern drohte – in dem ich zu scheitern drohte, falls Sie
verstehen, was ich meine. Für eine Sekunde glaubte meine Nase, den Duft frischer Brötchen wahrzunehmen, und ich musste an
Elisa denken und an ihre wundervollen Haare. Aber Lydia hatte die Sache buchstäblich im Griff, und die männliche Fähigkeit
zum Verdrängen ließ auch mich schnell wieder durchstarten.
Was soll ich also sagen? Es war gut! Es war sogar sehr gut!
Man kennt sich, weiß, was der andere mag und was nicht. Es gibt keine Peinlichkeiten, keine großen Gefühle, alles ganz unverkrampft.
Perfekt.
Warum nur fühle ich mich dann jetzt nicht gut? Genau genommen fühle ich mich sogar eher schlecht.
Nachdem sich mein Hormonspiegel wieder im Bereich Normalnull eingependelt hat, kommen mir folgende Gedanken (eventuell in
abweichender Reihenfolge):
Haben wir eigentlich ein Kondom benutzt?
Nichts wie weg hier, bevor Urs, der Rächer aller betrogenen Ehemänner, doch noch aus dem Off auftaucht!
Bekommen wir jetzt wirklich den Etat?
Wo, zum Kuckuck, steckt Elisa?
Lydia liegt neben mir mit einem seligen Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht und zündet sich lasziv eine Zigarette an. Keine
Frage, sie ist sehr sexy.
|143| Aber dennoch: Ich sollte so etwas nicht tun. Es gehört sich nun mal nicht, die Frau eines anderen zu vögeln, es sei denn,
er gibt sein Einverständnis. Dies kann durchaus auch stillschweigend geschehen, so wie die Annahme eines Kaufvertrages unter
Vollkaufleuten. In Beziehungsangelegenheiten geschieht dies in der Regel durch Nichtnutzung der eigenen Ansprüche, Sie kennen
das vielleicht.
Wenn also Urs keinen Gebrauch davon macht, seine übererotische Ehefrau zu beglücken, bedeutet das im Grunde genommen nichts
anderes, als dass er dies nun stillschweigend anderen überlässt. Ich habe allerdings den Verdacht, dass diese Regel nicht
allen Männern bekannt ist. Insbesondere zu denen, die ohnehin in hohlköpfigem Vakuum dahinwabern, könnte diese Gepflogenheit
noch nicht vorgedrungen sein.
Doch geschehen ist geschehen, und obwohl ich mich gerade noch auf dem Gipfel höchster Entspannung befand, fühle ich mich nun
langsam von stressgesteuerten Fluchtgedanken geplagt – ein Zustand, der für den männlichen, von Herzinfarkt und Haarausfall
bedrohten Organismus ein äußerst misslicher ist.
Aber anscheinend hält Lydia meine Schuld noch nicht für abgearbeitet, denn sie lässt ein Bad ein, und nichts deutet darauf
hin, dass sie dieses allein zu nehmen gedenkt. Also steige ich mit gemischten Gefühlen (könnte schon wieder, würde andererseits
aber gerne fliehen) in die Wanne, um ihr den Pudding und mir versuchsweise das schlechte Gewissen abzuwaschen.
Doch bei dem Gedanken an Rolf lasse ich Angstschweiß zu Wasser. Er darf das hier niemals erfahren. Niemals. Nicht nur, dass
er jeden meiner Körperteile einzeln durch |144| die Saftpresse jagen würde, weil ich so hoch gepokert habe. Sein Ego wäre außerdem zu Tode gekränkt, wenn er annehmen müsste,
die Agentur hätte den Etat nur durch meinen erhitzten Hüftschwung gewonnen und nicht aufgrund innovativer Ideen und professioneller
Ausarbeitung. Vor diesem Hintergrund beginne ich, um Absolution zu winseln.
«Lydi, Schatz, wir werden das doch niemandem erzählen, oder? Und es auch nicht wieder tun?»
Bitte sag ja.
«Hm. Natürlich wird nicht darüber geredet, das war doch immer schon so. Aber warum sollten wir es nicht wieder tun? Hattest
du keinen Spaß?»
Sie blitzt mich über den Rand einer
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