Kein Sex ist auch keine Loesung
zumindest erklären, warum sie neulich Nacht um zwölf noch so dringend nach
Hause wollte.
Ich kann es nicht fassen.
Pervers geradezu, was Elisa mir da antut. So etwas würde mir im Traum nicht einfallen, niemals. Die Sache mit Lydia ist ja
nicht mal ansatzweise vergleichbar.
Nachdem ich es auch noch einmal todesmutig auf Elisas |151| Handy versuche, aber wieder nur dieselbe elektronische Abwesenheitsnachricht erhalte, beschließe ich, zu tun, was ein Mann
in einer solchen Situation tun muss. Ich lege mich erst mal schlafen.
Da sich das Chaos im Leben einer Frau meist nur mit den Augen einer Frau begutachten lässt, lautet die erste Regel für Notfälle
dieser und ähnlicher Art: die beste Freundin um Rat fragen.
Nun habe ich ja leider keine beste Freundin mehr, denn Nadja scheidet aus, da sie, als Teil eines glücklichen Paares, alles
sofort brühwarm ihrem Partner – (Ronald, pah!) – weitererzählen würde. Und wer, bitte schön, lässt schon gern sein Privatleben
von jemandem, der Ronald heißt, analysieren? Auch Vince fällt derzeit aus – Susannes Schrei-Urlaub ist immer noch nicht aufgearbeitet.
Die sind jetzt neuerdings dauernd gemeinsam bei irgendwelchen Kursen. Deswegen muss Luke ersatzweise einspringen, der wollte
ja ohnehin ganz dringend mit mir reden.
Ich steige also Samstagabend noch in mein Auto und brause einen Wohnblock weiter. Luke wohnt in einem loftähnlichen Apartment,
das er und sein Kumpel Bernd auch zum Arbeiten nutzen. Sie betreuen Kunden, die Computerspiele herstellen. Und alles, was
Bernd und Luke den ganzen Tag tun müssen, ist, mit Spielen anderer Hersteller rumzuballern. Konkurrenzbeobachtung nennt man
das dann.
Dieser Job scheint mir auf Luke zugeschnitten wie die Wurst fürs Frühstücksbrötchen, und er ist eines von vielen Beispielen
dafür, dass manche Leute mehr Glück als Verstand in ihrem Leben haben. Ich hätte mir wirklich nichts, |152| aber auch rein gar nichts vorstellen können, womit Luke sonst noch sein Geld verdienen könnte.
«Ey, Alter, alles klar?»
Bernd, Lukes «Kollege», guckt mich an, als hätten wir eine heimliche Liebesbeziehung und ich wäre vorbeigekommen, um seiner
Ehefrau ein Ultimatum zu stellen. Mit anderen Worten: gequält.
Ich ignoriere das geflissentlich, schlurfe durch den Eingang und kicke die Tür hinter mir mit einem gezielten Fußtritt ins
Schloss.
«Na, ihr Säcke.»
Das Lustige an Bernd ist, dass er wegen der vielen Computerarbeit inzwischen eine Brille mit eiswürfeldicken Gläsern und einem
fernsehergroßen Gestell auf der Nase trägt. So muss der junge Heinz Erhardt ausgesehen haben. Nur dass der sich, verglichen
mit Bernd, vermutlich vernünftig gekleidet hat. Bernd ist nämlich der einzige mir bekannte Mensch, der seiner Zeit modisch
derart weit voraus agiert, dass man sich, wenn diese Scheußlichkeiten endlich in Mode sind, längst nicht mehr daran erinnern
kann, dass Bernd mal diesen Trend losgetreten hat.
An einem Tisch, auf dem sich zusammenhangloser Krempel stapelt, sehe ich Luke, der windschief und mit dunkel umränderten Augen
vor einem Spiel hängt, das sich offensichtlich an Leute mit einem Intelligenzquotienten unter dem eines Marienkäfers richtet.
Als er mich sieht, passiert Folgendes: Wie von der Tarantel gestochen schnellt er von seinem Stuhl hoch, blickt sich gehetzt
in alle Richtungen um, packt mich bei den Schultern und drückt mich auf seinen noch warmen Stuhl, |153| während er weiterhin mit epileptischer Mimik das Zimmer abscannt. Dabei gibt er jetzt auch noch komische Laute von sich. Meinen
verständnislosen Blick kommentiert er schließlich mit zusammenhanglosem Gestammel:
«Äh. Ja. Tom. Mensch, was für eine Überraschung. Warum hast du denn nicht angerufen? Du siehst ja, wir sind total beschäftigt.
Aber gut. Willste ’n Tee?»
Tee? Was ist denn das für ’n Bullshit? Es ist Samstag, und dies wird ein Männerabend! Offensichtlich war das aber auch gar
keine Frage, denn Luke schießt bereits wieder im Zickzackkurs durch das Zimmer, wobei er, wie mit einem Geigerzähler bewaffnet,
Boden und Möbel absucht.
Irritiert blicke ich zu Bernd, der sich daraufhin mit den Worten «Tom möchte bestimmt lieber ein Bier, ich hole mal eins»
in die Küche verpisst.
Oh-oh. Kaum ist man mal zwei Tage nicht da, schon steht der beste Freund kurz vor der Einlieferung in die Geschlossene. Irgendetwas
geht hier vor, aber ich habe nicht den leisesten
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