Kein Sex ist auch keine Loesung
umzukrempeln und nach dem Sex «Was denkst du?» zu fragen.
Und mal ganz ehrlich: Gibt es einen geeigneten Zeitpunkt zum Schlussmachen? Tut es eine Stunde nach dem Sex mehr weh als zwei
Stunden danach? Oder gibt es sogar einen geeigneten Ort für eine Trennungszeremonie? Etwa beim Lieblingsitaliener, während
man sich ein Banana-Split teilt? Beim Candle-Light-Dinner? Oder während die Lieblingssendung des anderen im Fernsehen läuft?
Sollte man vielleicht ein romantisches Wochenende nach Venedig buchen? Ist eine Trennung auf dem Markusplatz leichter zu ertragen
als in Eimsbüttel?
Nein. Im Grunde ist der kalte, harte Steinfußboden genau die richtige Kulisse für das, was ich jetzt zu sagen habe.
«Elisa, ich muss dir was sagen», beginne ich unseren Abschied einzuleiten und starre dabei an ihren Haaren vorbei, die an
ihrer und meiner Brust kleben. Mein Blick bleibt starr auf den Fußboden gerichtet – morgen würde ich wirklich endlich wischen
müssen.
«Also, ich hab mir überlegt», setze ich ein zweites Mal an, ohne die Fliesen dabei eine Sekunde aus den Augen zu lassen. «Also,
ich habe mir das wirklich gut überlegt, und ich hoffe, du bist jetzt nicht sauer, aber …»
Wie blöd ist das denn? Komm schon, Tom, das haben wir aber schon mal flüssiger erlebt. Dummerweise bewirkt die Tatsache, dass
man weiß,
was
man sagen möchte, nicht automatisch, dass man auch weiß,
wie
.
Hilfesuchend blicke ich Elisa in die Augen. Keine gute Idee, denn jetzt gerate ich noch mehr ins Stottern, und sie sieht mich
an, als würde mir ein Chromosom fehlen.
|176| «Also, ich mache es jetzt einfach kurz und schmerzlos», fahre ich in unpassend fröhlichem Tonfall fort, «was ich versuche,
dir zu sagen, ist, also, äh, wir sollten uns überlegen …» Es ist immer gut, «wir» zu sagen, so haben Frauen das Gefühl einer gemeinsam getroffenen Entscheidung. «Also, wir sollten
uns überlegen, ob es nicht besser wäre, wenn …»
Feigling. Was bin ich nur für eine Memme geworden! Was hat diese Frau jetzt schon aus mir gemacht??? Ein Grund mehr, sie loszuwerden!
«… wenn du so lange bei mir wohnst, bis du etwas Ordentliches gefunden hast. Hier ist genug Platz, und ein eigenes Zimmer könnte
ich dir auch frei räumen. Übergangsweise natürlich nur.»
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12.
Ich will es mal so sagen: Nicht vielen Menschen ist es im Laufe ihres Lebens vergönnt, von einem anderen Menschen überrascht
zu werden. Verschwindend gering ist dagegen die Anzahl derer, denen es gelingt, sich selbst zu überraschen.
Ich bin so ein Glückspilz.
Zugegeben, ich hatte ein bisschen darauf gebaut, dass Elisa meinen Vorschlag ablehnen würde, aber als sie sich |177| mit ihren klebrigen Brüsten über mich beugte und mir einen Kuss gab, konnte ich dieses Glück für einen Moment tatsächlich
fühlen.
Jetzt habe ich allerdings gerade die Vision, sie würde vielleicht nicht wieder aus meiner Wohnung ausziehen.
Verdrängen.
Im Grunde genommen habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, mit jemandem zusammenzuwohnen. Als ich 18 Jahre alt war und bei meiner Mutter auszog, mietete ich mir gleich allein meine erste Wohnung. Bis heute habe ich diese ‹Wir-sind-alle-so-wild-W G-Zeit › nie wirklich vermisst.
Im Gegenteil. Meistens bin ich froh, wenn meine mehr oder weniger flüchtigen Damenbekanntschaften am Montagmorgen mein Heiligstes
wieder verlassen. Als besonders anstrengend empfinde ich immer die sogenannten Fernbeziehungswochenenden. Von Freitagabend
bis Montagmorgen ununterbrochen zu zweit. Und wenn es mal ganz dick kommt, nimmt sich die entsprechende Dame ein paar Tage
frei, um mich – Überraschung! – eine komplette Woche mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.
Man darf das nicht unterschätzen: Bei Frauen setzt der Nestbautrieb auch in fremder Umgebung spätestens nach 36 Stunden ein.
Von da an beginnen sie, deine Wohnung, die du bis zu diesem Moment als gemütlich und zweckmäßig empfunden hattest, in eine
Zweigstelle von «Schöner Wohnen» zu verwandeln. Man möge bitte nichts mehr liegenlassen («Wie sieht denn das aus!»), seine
schmutzige Wäsche wegräumen («Wo kommen wir denn dahin!»), die Schuhe putzen («Was sollen denn die Nachbarn denken!») und |178| das benutzte Geschirr abspülen («Falls überraschend Besuch kommt!»).
Ich bin Einzelkind – eine Halbschwester zählt in diesem Fall wohl nicht –, und die fortwährende Anwesenheit eines
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