Kein Sex ist auch keine Loesung
Crêpe Suzette steckte, hebt nun langsam seinen
Kopf.
|181| «Was? Was ist mit mir?»
Ich brauche keinen weiteren Hinweis von Luke, um zu wissen, dass es nicht angebracht ist, den Satz noch einmal zu wiederholen.
«Nix. Vergiss es. Was nimmste?»
«Noch ’n Bier.»
«Du auch, Luke?»
«Hm», er nickt kauend und entspannt sich langsam.
«Und, Vince, wie läuft’s bei euch so?», versuche ich mal von dem Thema wegzukommen. «Hat Susie sich ausgeschrien?» Vince guckt
mich jetzt ebenso finster an, wie Luke es gerade getan hat. Ein Außenstehender käme wohl kaum auf die Idee, dass hier drei
wirklich gute Freunde zusammensitzen.
«Im Gegenteil. Gerade als ich gehen wollte, hat sie nochmal losgelegt.» Er spielt jetzt verlegen mit ein paar Bierdeckeln
und fügt dann mit erregter Stimme hinzu: «Egal, was ich tue, sie hat immer etwas auszusetzen. Heute wollte sie, dass ich zu
Hause bleibe, um auf Mäxchen aufzupassen. Sie war ebenfalls verabredet – das vierte Mal in dieser Woche!»
So wütend habe ich Vince schon lange nicht mehr gesehen, denn jetzt haut er mit der Faust auf den Tisch, dass seine Bierdeckelkonstruktion
in sich zusammenfällt. Ich nutze den erschreckten Blick der Bedienung, um die vierte Runde Bier und Schnaps für uns zu bestellen.
«Richtich so! Du daaafs dir nich immer alles gefallen lassssen!», mischt Luke sich schon leicht lallend ein. «Schließlich
hast du schon ihretwegen deinen Job aufgegeben.»
Wir stoßen an.
«Ja, ich weisss», gibt Vince nun kleinlaut zu. «Aba wassollich |182| denn machen. Wenn wir beide auf ssstur schalten, dann schadet dasss nur dem Kleinen.»
Ich würde sagen, da ist was dran. Trotzdem: Mir fehlt für diese Art Verhalten wohl das Vater-Gen.
«Ja, unnn nu?», will Luke wissen. «Issie nu auch aufm Zwutsch? Unnas Kind?»
«Jau! Sie wird doch wohlas Kind nich alleingelassn haben?» Entrüste ich mich nun ebenfalls, als würde ich in meiner Freizeit
ehrenamtlich für UNICEF arbeiten.
Vince guckt mit glasigem Blick erst mich und dann Luke an, ehe er mit gewollt fester Stimme sagt: «Männer. Ich sach euchma
was.»
Wir neigen ihm schiefgehaltene Köpfe entgegen.
«Ich hab ihr gesacht», er macht eine Pause, um stolz noch einmal in die Runde zu gucken, «Baby, hab ich gesacht, mach, wassu
willst, aber erst wennich weg bin. Und dann bin ich gegangen!»
|183| Das «gegangen» schreit er nicht nur, sondern haut noch einmal unterstützend mit der Faust auf den Tisch, sodass man uns ungefragt
mit einer neuen Runde Alkohol versorgt.
Wir trinken dann noch auf alles, was uns einfällt, so lange, bis keiner von uns mehr in der Lage ist, den Nachnamen des anderen
auszusprechen. Dann mache ich mich schwankend auf den Heimweg – hackenstramm und vorerst ohne das Versprechen der beiden,
mir beim Kistenschleppen zu helfen.
Zu Hause hege ich nur noch den Wunsch, mich ohne Umwege ins Bett plumpsen zu lassen, und überspringe deshalb auch den Weg
ins Badezimmer. Wie eklig!, denken Sie vielleicht, aber an sich noch kein Grund zur Sorge. Als viel problematischer erweist
sich nämlich, dass ich erstens vergesse, den Anrufbeantworter abzuhören – eine Nachlässigkeit, die mir nur selten passiert –, weil ich nämlich zweitens damit beschäftigt bin, mich auf dem Weg ins Schlafzimmer sämtlicher Kleidungsstücke zu entledigen.
Ich bin also nackt, als ich auf der Suche nach meinem Pyjama erst das kleine Licht am Kopfende anknipse und dann mit Schwung
die Decke zurückschlage.
Dort liegt eine Leiche.
Ich reiße die Augen auf und versuche, meinen glasigen Blick wenigstens so weit scharf zu stellen, dass ich Einzelheiten erkennen
kann (Einschusslöcher, Strick um den Hals, blutverschmierte Pulsadern), finde jedoch nichts. Was sich dagegen sehr schnell
klärt, ist das Geschlecht der betreffenden Person, da sie nur mit Wollschlüpfer und Spitzenhemd bekleidet ist, was Männer
nicht mal tragen würden, wenn sie tot sind. Und während ich mich noch |184| frage, ob es tatsächlich Leichen mit erigierten Brustwarzen gibt, gellt ein Schrei durch die Stille der Nacht, der sich über
mehrere Oktaven erstreckt und mit eigentümlichen Atemgeräuschen einhergeht. Im Grunde genommen habe ich ja schon eine gewisse
Routine im Umgang mit auferstehenden Leichen. Als ich nämlich im zarten Alter von zwölf Jahren mit meiner Schwester und Wolle
den Horrorklassiker
Nachtwache
im Fernsehen guckte, passierte Ähnliches: Die vermeintliche Leiche
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