Kein Sex ist auch keine Loesung
wurde lebendig. Allerdings schlug Wolle mir gemeinerweise
genau in diesem Moment von hinten auf die Schulter und brüllte dazu: «Uuuaaaah.»
Und jetzt raten Sie mal, wer da geschrien hat.
Mein Hirn ist immer noch so umnebelt, dass ich lange brauche, um die schreiende Frau so weit scharf zu stellen, dass ich sie
mit bekannten Personen aus meinem Umfeld vergleichen kann. Denn bekannt kommt sie mir schon irgendwie vor. Vielleicht ist
es Gundula Gause, die Nachrichtensprecherin? Oder die hübsche Marlene aus dem Frühstücksfernsehen? O bitte, lass es nicht
Sibylle Weischenberg sein!
Es ist, als müsste ich in einer mit Weichzeichner bearbeiteten Verbrecherdatei nach einem Verdächtigen fahnden. Aber dennoch:
Gaaaanz langsam fügen sich alle Informationen zu einem Bild zusammen, ich stelle es scharf und –
Es ist Susanne.
Ja, genau. Die Frau meines besten Freundes, die wir gerade noch babysittend zu Hause wähnten, hockt nun halbnackt in meinem
Bett und wendet wahrscheinlich gerade alle Schrei-Techniken an, die sie sich in der Toskana bei Angelo abgeguckt hat.
|185| Jetzt schreie ich auch.
Nur kurz allerdings, denn als Susanne gleich darauf ihre Frequenz in einen Bereich verschiebt, der meinem Glasschrank gefährlich
werden könnte, komme ich wieder zu mir und versuche, sie zu knebeln. Dabei verschlechtert sich für mich und meine geräuschempfindlichen
Nachbarn allerdings vorerst die Lage, denn Susanne fängt jetzt an zu quieken wie ein Ferkel vor der Schlachtung. Dabei starrt
sie völlig hypnotisiert auf meinen Schwanz – eine Reaktion, wie ich sie bei einer Frau so nie zuvor erlebt habe.
Leider kann ich den Moment nicht gebührend genießen, da ich wegen der Uhrzeit und meines kurz vor der Sprengung befindlichen
Schädels verständlicherweise etwas angespannt bin.
Während ich also weiterhin mit einem Kissen versuche, Susanne die Luftzufuhr abzuklemmen, bemühe ich mich gleichzeitig, mit
der freien Hand ein zweites Kopfkissen zu ergattern, um meine Kronjuwelen damit zu bedecken. Dabei ist Vorsicht geboten, denn
zu allem Überfluss bekomme ich jetzt auch noch eine Erektion.
Ja, entschuldigen Sie mal, aber wenn Ihnen nackt und besoffen eine Blondine auf ihr Ding starrt, dann möchte ich mal erleben,
wie Sie cool bleiben!
In diesem Moment geht mein Radiowecker mit lautem Getöse zu Boden, den ich wohl mit einer Kissenecke erwischt haben muss.
Zum Glück. Vom Knall noch beeindruckter als von meinem Schwanz, hört Susanne auf zu kreischen, was mich vollends aus der Fassung
bringt, da sie immer noch gebannt auf die Stelle glotzt, wo sich mein Ding unter dem Kissen wölbt. Dazu sagt sie mit monotoner
Stimme: «Ich hatte doch angerufen. Du hättest |186| wissen müssen, dass ich hier bin. Wer kann denn ahnen, dass …»
Die Ruhe ist eine liebenswürdige Frau und wohnt in der Nähe der Weisheit. Wer hat das nochmal gesagt? Und vor allem, wer hat
es jemals geglaubt?
Nur unter größter Anstrengung (spät, besoffen, nackte Frau) schaffe ich es, die Zusammenhänge von Susannes Redeschwall zu
begreifen, der nun auf mich niederprasselt wie ein Herbstunwetter.
Anscheinend ist der Abend etwas anders verlaufen, als Vince uns das vorhin männlich dominant weismachen wollte. Gut, vielleicht
hat er tatsächlich noch «Mach, was du willst, aber erst, wenn ich weg bin» gesagt, Susanne damit aber nur mäßig beeindruckt.
Die hat sich wohl daraufhin mit den Worten «Du kannst mich mal!» wutschnaubend ihre Tasche und den für Elisa gedachten Zweitschlüssel
geschnappt, der auf der Kommode lag (es steht idiotischerweise mein Name drauf – jeder Einbrecher hätte vor Freude geheult!),
und ist abgehauen. Ob sie sich dabei allerdings vergriffen hat oder den perfiden Plan, mich in dieses Drama einzubeziehen,
bereits im Voraus gesponnen hat, ist aus ihr nicht herauszubekommen. Fest steht jedenfalls, dass der gute alte Vince genau
wusste, dass er mit dieser Geschichte bei Luke und mir nicht punkten konnte, und sie deshalb etwas umgetextet hat.
«Und wo ist Mäxchen?» Nicht dass ich gleich beim Öffnen des Küchenschranks nochmal so einen Schreck kriege. Falsche Frage.
Susanne, die sich schon fast beruhigt hatte, flippt wieder aus. «Willst du etwa behaupten, Vince ist tatsächlich ausgegangen,
und zwar
ohne
den Kleinen?»
|187| Ich muss mich entscheiden, wie der Abend weitergehen soll. Will ich
a) die Ehre meines Freundes verteidigen oder
b) schlafen
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