Kein Sex ist auch keine Loesung
da Rolfs ausgleichendes Wesen
fehlt, müssen wir uns irgendwie selbst arrangieren. Zwei Mitarbeiter sind krank, zwei heulen ständig rum, und Klaus steht
unter Valium.
Auch ich brenne an allen Enden, sodass ich am Freitagabend tatsächlich Mühe habe, die Party zeitlich einigermaßen im Limit
zu erreichen. Was ich allerdings nicht mehr schaffe, ist, vorher zu Hause einen Boxenstopp zum Umstylen einzulegen. Im Grunde
genommen ist es aber auch egal. Ich werde ohnehin nur kurz checken, was der Anlass dieser Festivität ist, um dann mit dem
erstbesten, natürlich gutaussehenden, weiblichen Wesen zu flirten und Elisa damit zu zeigen, was ich für ein scharfer Typ
bin. Dann haue ich auch schon wieder ab. Fertig. Aus.
Zum Glück kann ich mich in Anzug und T-Shirt ja überall sehen lassen.
Auf mein Klingeln öffnet eine junge Frau, barfuß und im Pyjama. Zwischen den Augenbrauen hat sie einen roten Fleck, und ich
widerstehe dem Drang, einen Finger anzulecken, um ihr, wie meine Mutter es früher gern bei mir machte, den Schmutz abzuwischen.
«Hare Krishna, komm doch rein», babbelt die Gefleckte in gemeinem Kölsch.
«Äh, gern.»
Ich ignoriere die vor der Haustür aufgereihten Straßenschuhe |167| und trete ein. Da sich die Schlafanzug-Trägerin den Kommentar zu meinem Outfit erspart, beschließe ich, mit ihrem genauso
zu verfahren.
«Ich suche Elisa.»
Fragend starre ich auf den Fleck in ihrem Gesicht, ihr drittes Auge, wie ich weiß. Man ist ja schließlich informiert.
«Wir sind doch alle irgendwie immer auf der Suche», philosophiert sie und schwebt davon, ohne mir wirklich geholfen zu haben.
Ob sie allerdings Elisa im Speziellen oder den Sinn des Lebens im Allgemeinen meint, bleibt vorerst ungeklärt. Dann muss ich
mich eben selbst auf die Suche machen.
«Ooch, du siehst ja ganz verloren aus!»
Eine zarte kleine Person mit einem ähnlich weltfremden Blick wie Audrey Hepburn in
Ein Herz und eine Krone
tätschelt mitleidig meinen Arm. Auch sie besitzt mehr Augen, als einem irdischen Wesen in der Regel zur Verfügung stehen.
«Ähm, ich suche Elisa. Elisa Hausmann.»
Sie lächelt mich verzückt an.
«Das sehe ich. Möchtest du vielleicht eine Umeboshi-Pflaume?»
Will mich denn hier keiner verstehen?
Sie gibt nicht auf. «Die wirkt total ganzheitlich und reinigt den Körper von allen Giften und Schlacken, vor allem von Alkoholrückständen.»
Wirke ich etwa auf andere wie ein verzweifelter Säufer?
Um ihre Gastfreundschaft jedoch nicht überzustrapazieren, nehme ich gleich zwei Pflaumen, während ich hinter ihr einen jungen
Typen beobachte, der auf seinem Turban |168| Kopfstand macht. Mann, was ist denn das hier für ein Irrenhaus?
Die Dreiäugige strahlt.
«Das wird dir guttun. Elisa ist übrigens dort hinten, in der Küche.»
Na bitte, geht doch. Sie trabt auf eine eigenartige Weise los, als ob jemand kleine Reißzwecken im Raum verteilt hätte, denen
es unversehrt auszuweichen gilt. Ich schiebe mir beide Pflaumen gleichzeitig in den Mund und nehme die Verfolgung auf.
Wer jemals in seinem Leben eine Umeboshi-Pflaume gegessen hat, weiß, dass Worte nicht ausreichen, um das kulinarische Feuerwerk
zu beschreiben, das nun meinen burgergewöhnten Gaumen ereilt. Alle anderen stellen sich einfach vor, sie müssten einen großen
Löffel salzlakiger Mousse au Chocolat bei sich behalten. Trotz der Tatsache, dass zwei Pflaumen, wie ich später erfahren soll,
acht Euro kosten, bleibe ich skeptisch, was das Anbeten der Götter der ganzheitlichen Ernährung anbelangt.
In meinem ganzen Leben ist mir noch niemals in so kurzer Zeit so schrecklich übel geworden.
Ich taumele.
Mein Magen dreht sich mit meinem Kopf um die Wette. Verzweifelt versuche ich, gleichzeitig Haltung zu bewahren und den Brechreiz
unter Kontrolle zu halten. Hilfesuchend will ich mich an der Wand abstützen, erwische dabei allerdings zuerst die Füße des
kopfstehenden Turban-Mannes, die unter meiner 78 Kilo Muskelmasse nachgeben wie ein Ikea-Regal, bei dem man nach erfolgreichem Zusammenbau noch zwei Schrauben übrig hat.
|169| Der Typ rudert mit den Beinen und verpasst mir damit einen gezielten Tritt, sodass ich wie eine Billardkugel durch den Flur
schieße, wobei sich mein Absatz in einem selbstgeknüpften Teppich verheddert. Ich versuche, nicht komplett zu Boden zu gehen,
und kriege mit letzter Kraft einen Arm zu fassen, um mich festzuklammern.
Der Arm gehört Elisa, die gerade herzhaft in ein
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