Kein Sex ist auch keine Loesung
weniger Chancen bei Elisa, überhaupt
nichts eingebracht.
Ich reiße mich los und versuche, auf der Herrentoilette zu retten, was noch zu retten ist. Ein Blick in den Spiegel ergibt
folgende Bilanz: Ich sehe aus wie der einzige Überlebende eines Blutbads auf der Reeperbahn. Allerdings nicht nach einem Terroranschlag,
sondern eher, als hätte ich versucht, beim Bordellbesuch die Zeche zu prellen. Ich habe nämlich außer einem blauen Auge, einer
blutenden Nase und dem bereits erwähnten Doppelkinn (wie hat der Sack das nur mit zwei Schlägen hinbekommen?) auch noch Nadjas
Lippenstift gleichmäßig auf Gesicht und Hals verteilt.
Und während ich bemüht bin, die Schäden zumindest so weit einzudämmen, dass ich unbegafft durch das Foyer zum nächsten Taxi
humpeln kann – und der Taxifahrer mich auch einsteigen lässt –, kommt es noch schlimmer.
Im Spiegel sehe ich Mashavna hereinkommen, die sich mit überheblicher, schadenfroher Miene hinter mir aufbaut.
«Wir sind hier nicht bei Ally McBeal, und dies ist auch keine Unisex-Toilette», gifte ich sie an. Wo kommen wir denn dahin,
wenn man nicht einmal mehr in Ruhe, unter Männern, sterben kann?
Sie lehnt sich an die Wand und blickt mich angewidert von oben bis unten an.
|276| «Es wird dich sicher nicht überraschen, wenn ich dir sage, dass du es verdient hast, oder?»
Frauen! – die wohl schlimmste Waffe der Menschheit seit der Neutronenbombe. Sie töten ihre Feinde nicht einfach, nein, nein.
Sie ergötzen sich geradezu, wenn es einem, blutverschmiert wie ein Serienkiller und mit Schmerzen kämpfend, so richtig mies
geht.
«Pah, verdient! Dass ich nicht lache! Du weißt doch gar nicht, worum es hier geht!» Gerne hätte ich noch ‹Du blöde Kuh› hinzugefügt,
schlucke es jedoch hinunter.
«Na ja», entgegnet sie in spöttischem Tonfall, «ich weiß ja bereits, dass du uns Frauen für degenerierte Heimchen am Herd
hältst, aber dass du uns nicht einmal zutraust, den Tobsuchtsanfall eines betrogenen Freundes zu erkennen, kränkt mich doch
sehr.»
Dabei sieht sie kein bisschen gekränkt, sondern bestenfalls belustigt aus.
«Und ich möchte auch gar nicht wissen, wie lange du schon hinter seinem Rücken mit seiner Freundin bumst. Aber vielleicht
würde es ihm ja bessergehen, wenn er wüsste, dass sich in diesem Szenario noch andere beschissen fühlen!»
Noch andere? Meint sie vielleicht Elisa? Mmh … Wenn die sich tatsächlich beschissen fühlen sollte, heißt das dann, dass sie bis vor einer Stunde noch Gefühle für mich
hatte?
Meine aufkeimende Freude ist nur von kurzer Dauer, denn das würde unweigerlich bedeuten, dass ich es nun komplett versaut
habe.
«Aha. Und wer hat mich wegen eines dahergelaufenen Hanswursts belogen und betrogen, hä? Da braucht sie sich |277| doch nicht zu wundern, wenn ich auch mal mit jemandem ausgehe.»
Der Versuch meiner moralischen Rehabilitation lässt sich sogleich als gescheitert bezeichnen, denn Mashavna stemmt die Arme
in die Hüfte und schnaubt: «Sie hat dich belogen? Betrogen? Dass ich nicht lache! Falls du auf den Abend anspielst, als du
und dein verdammter, dir zu Kopf gestiegener Schwanz mit der brünetten Puppe auf deren Hotelzimmer verschwunden seid, tappst
du aber komplett im Dunkeln. Jedenfalls, was Elisa betrifft.»
Ich finde, sie schaut jetzt etwas freundlicher, auch wenn ihre Stimme noch immer messerscharf klingt.
«Ach ja? Dann schieß mal los!»
Jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt, mit welcher Geschichte mir der kleine Giftzwerg gleich kommen wird. Bitte lass es
nicht die Bruder-Geschichte sein!
Vorsichtshalber lehne ich mich gegen die Wand, damit ich nicht nochmal zu Boden gehe. Ein bisschen Ironie kann ich mir dennoch
nicht verkneifen.
«Jetzt wirst du mir sicher gleich verklickern, dass dieser Typ, den Elisa Lilo nennt, im falschen Körper geboren wurde und
eigentlich eine Frau ist. Oder sich zumindest so fühlt.»
Mein hämisches Grinsen soll sie ein wenig einschüchtern.
«Nein, du Blitzmerker, die Wahrheit liegt ein bisschen anders.» Sie stemmt die Hände in die Hüfte und legt die Stirn in Falten.
Aber mich beeindruckt das nicht. Ich wähne mich nach wie vor im Recht und kann mir immer noch keinen plausiblen Grund für
diesen Geschlechter-Wirrwarr vorstellen.
|278| «Lilo ist der Spitzname, den der gute Stefan schon seit der Schulzeit hat. Allerdings benutzt den heute kaum noch jemand,
nur langjährige Schulfreunde. Wie
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