Kein Sex ist auch keine Loesung
los. Oder sogar für immer, das
wird sich jetzt gleich zeigen.
«Ich kann nicht glauben, dass du so lange im Geschäft bist und dann so eine Scheiße baust!», donnert Rolf los, ehe ich überhaupt
über die Türschwelle getreten bin. «Das ist eigentlich Grundschulniveau, aber du hast es offensichtlich immer noch nicht kapiert.»
Hmpf. Es sieht so aus, als würde ich hier mit dem Tuberkulose-Trick nicht durchkommen. Abstreiten scheint |288| mir auch keine Lösung. Aber wenn Lydia mich nun schon mal angeschwärzt hat, kann ich doch wohl wenigstens auch ihre weiße
Weste ein bisschen beschmutzen, oder? Vielleicht nicht das Verhalten, das man von einem Gentleman erwartet, aber ich habe
berechtigten Grund zu der Annahme, dass Rolf das egal ist.
«Ich weiß, es war ein Fehler, aber du kannst mir ruhig glauben, ich habe das nicht mit Absicht gemacht», starte ich also mein
Plädoyer. «Es war sozusagen Nötigung, und ich konnte sie nicht davon abhalten –»
Weiter komme ich nicht.
«Wenn ich eins nicht leiden kann, Tom, dann ist es, wenn man nicht zu der Scheiße steht, die man verbockt hat.»
Er donnert mit der Faust auf den Schreibtisch und stiert mich sehr, sehr böse an. So böse, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen
habe. Ja, das war’s dann wohl. Irgendwie kann ich mir plötzlich doch ganz gut vorstellen, wie angenehm es gewesen wäre, die
Woche nur mit sinnlosem, aber ruhigem Warten zu verbringen. Einen Gesprächsversuch möchte ich aber doch gern noch unternehmen.
«Ich hatte überhaupt nicht vor, mit ihr zu schlafen, aber sie hat mich geradezu erpresst. Andernfalls hätten wir den Etat
nie …»
Eine sehr, sehr starke Macht lässt mich erneut an meiner eigenen Spucke verschlucken, sodass ich nicht weitersprechen kann.
Rolf starrt mich fassungslos an, was ich zunächst auf meinen puterrot angelaufenen Kopf beziehe, bis er sagt: «Es ist mir
völlig schnurzegal, mit wem du wann geschlafen hast, Tom. Wirklich, völlig schnurz. Aber …», er baut |289| sich vor mir auf – allerdings in sicherem Abstand, um nicht vollgespuckt zu werden, «wenn du schon tagelang zu Hause rumvögelst,
könntest du dann gefälligst deine Dateien nicht auf deinem Computer sichern, sondern auf dem Server abspeichern, sodass wir
alle Zugang dazu haben?»
Inzwischen umkreist er mich wie ein hungriger Schakal sein Mittagessen.
«Oder du hättest dein Passwort bei Klaus hinterlegen sollen, wie alle anderen es auch machen. Dann hätten wir nämlich nicht
zwei volle Tage damit vertrödeln müssen, die Daten zur Konkurrenzbeobachtung erneut auszuwerten.»
Gut, vielleicht war das ein ganz knappes Höschen, aber es scheint mir, als sei es nochmal gutgegangen. Ich glaube, ich bin
doch noch nicht gefeuert.
«Und jetzt sieh zu, wie du dich bei deinen Kollegen wieder einschleimst, die haben nämlich deinetwegen einen Haufen Überstunden
schieben müssen!»
Mit diesen Worten ist für Rolf die Akte «Anschiss» abgeschlossen, und ich kehre einigermaßen unbeschadet wieder in mein Büro
zurück. Hat die gekränkte Lydia mich doch nicht verpfiffen. Komisch. Irgendwie glaube ich auch nicht, dass sie es jetzt noch
tun wird. Ich werde die Frauen nie verstehen.
Und da ich Riesenrindvieh jetzt für den Rest der Woche unendlich viel zu tun habe, muss Marc am Donnerstag tatsächlich mit
einer Kiste Rotwein bestochen werden, damit er am Abend nochmal für mich Überstunden schiebt.
Ich habe mich mit Elisa in einem kleinen Bistro im Stadtzentrum verabredet. Da es draußen regnet und ich spät |290| dran bin, beschließe ich, den kurzen Weg mit dem Wagen zu fahren. Der Einfachheit halber parke ich im Parkhaus des nahe gelegenen
Marriott-Hotels.
Während meiner Abkürzung durch die Hotellobby fällt mein Blick auf eine mit Händen und Füßen wild gestikulierende Frau im
Leopardenmantel. Und obwohl man nur ihren Rücken sehen kann, habe ich den Eindruck, sie zu kennen.
Getarnt durch die weihnachtlich geschmückte Edeltanne, schleiche ich bis auf Hörweite heran und kann folgende Wortfetzen aufschnappen:
«Ich sagte Ihnen doch bereits, der Herr auf Zimmer 121 erwartet mich. Rufen Sie ihn bitte an und überzeugen Sie sich selbst.»
Der Leopard wird nun langsam unwirsch.
«Gnääädige Frrrau», auch der Herr an der Rezeption ist kurz davor, seine Contenance zu verlieren, «selbst wenn der Herr Bundeskanzler
Sie dort oben erwarten würde, könnten wir –», er macht eine künstliche Pause,
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