(Kein) Sex mit dem Ex
Orange und eine Tasse Tee â für Lee auch. Und vielleicht sollte sie darüber nachdenken, ein paar Lebensmittel einzukaufen. Auch wenn sie mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden war, wusste Jianne durchaus, wie man kochte. Das war allerdings nicht immer so gewesen. Als sie Jacob geheiratet hatte, war sie kaum in der Lage gewesen, einen Toast zu buttern, und sie hatte auch nicht eingesehen, warum man sich darum bemühen sollte. Heutzutage beherrschte sie die Grundlagen der chinesischen, thailändischen, japanischen und französischen Küche. Gebutterten Toast mochte sie allerdings immer noch nicht besonders.
âWann bist du gestern nach Hause gekommen?â, fragte sie den Jungen.
âVor einsâ, antwortete er. âIch habe niemanden gesehen, der die Karateschule beobachtet.â
Jianne konnte sich kaum vorstellen, welches Leben Lee geführt haben musste, um so selbstverständlich davon zu sprechen, bis ein Uhr nachts zu arbeiten und auf dem Nachhauseweg Ausschau nach zwielichtigen Gestalten zu halten. Gegen beides wollte sie protestieren. Was sie jedoch sagte, war: âVielen Dank, dass du die Augen offen gehalten hast.â
âWer ist hinter dir her?â, erkundigte der Junge sich jetzt neugierig und duzte sie erstmals.
âEin Mann. Ein sehr mächtiger und sehr hartnäckiger Mann.â
âHast du ihn bestohlen?â
âNein. So einfach ist es nicht. Er möchte mich als seine Gefährtin haben.â
âKannst du das in Chinesisch sagen?â, bat er.
âEr möchte, dass ich seine Partnerin werde, am liebsten seine Ehefrau. Unsere beiden Familien sind sehr mächtig. Eine Verbindung wäre vorteilhaft.â
âVorteilhaft?â
âEs wäre gut fürs Geschäftâ, erklärte sie und wechselte dabei wieder ins Englische.
âAber nicht für dichâ, bemerkte er beinahe feierlich.
âIch liebe ihn nicht. Ich mag ihn nicht mal.â Jianne schüttelte den Kopf. âEine Verbindung zwischen uns wäre überhaupt nicht gut für mich.â
âAlso bist du davongelaufen und hier gelandetâ, folgerte Lee.
Jianne nickte. âWie viele Wortbedeutungen hast du heute gelernt?â, fragte sie.
âDrei.â
âUnd was war die dritte?â
âVerbindung.â
âAh.â
âDer Meister sagt, dass ich viel Grips habeâ, versetzte Lee keinesfalls angeberisch.
âIch denke, er hat recht.â
âMit was?â, fragte Jacob vom Türrahmen her.
âLees Intelligenz.â Jianne schaute so ungezwungen zu der Tür herüber wie möglich. âIst deine Unterrichtseinheit schon zu Ende?â
âNein, aber ich dachte, dass du dich vielleicht früh auf den Weg zur Arbeit machen willst. Lee, würdest du in die Trainingshalle gehen und die Klasse beaufsichtigen, während ich hier bin?â
Der Junge nickte, schlüpfte aus der Tür und hinterlieà Schweigen.
Jianne wagte es, den Mann, dem sie sich in der Nacht so bedingungslos hingegeben hatte, näher zu mustern. Auf seinen Oberarmen zeichneten sich schwach die Spuren ihrer Fingernägel ab. Sein T-Shirt und die weite Baumwollhose bedeckten die anderen Male, die sie hinterlassen hatte.
âIch bereue es nichtâ, erklärte sie fest, worauf sich ein flüchtiges Lächeln auf seine Mundwinkel stahl.
âIch habe mir geschworen, dass ich die Situation nicht ausnutzen würde, solange du unter meinem Dach lebstâ, versetzte er jedoch grimmig.
âWie nobel von dirâ, konterte sie und nippte an ihrem Tee. âWie ist deine Haltung für den Fall, dass ich die Situation ausnutze?â
âDas hielt ich für unwahrscheinlich.â
âAh.â Jianne schenkte ihm ein Lächeln. âAlso keine konkrete Haltung zu dieser Möglichkeit. Vielleicht solltest du dir eine zulegen und die Schuldgefühle beiseite schieben.â
âVielleicht werde ich das.â Diesmal erreichte Jacobs Lächeln auch seine Augen.
âHolst du mich heute Nachmittag von der Arbeit ab?â, fragte sie.
âKannst du schon um fünf fertig sein? Ich muss rechtzeitig wieder hier sein, um eine Klasse um viertel vor sechs zu unterrichten.â
âDas geht in Ordnung.â
Er nickte. âWir sollten heute Abend ausgehen. Zum Essen oder ins Theater. Irgendetwas Schickes, wo man uns auf jeden Fall sehen wird.â
âMein Onkel hat für heute
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