Kein Spaß ohne Hanni und Nanni
paar Mädchen konnten recht gut spielen – aber Marianne übertraf alle. Anne war ganz erstaunt, wie wunderschön ihre Geige sich anhörte.
Als Marianne ihr Musikstück beendet hatte, klatschten die Mädchen begeistert in die Hände. „Du spielst fantastisch!“, sagte Hanni bewundernd. „Die werden nächste Woche staunen, wenn du beim bunten Abend mitwirkst. Spiel uns doch auch noch etwas auf dem Klavier vor. Sei so nett!“
Mit roten Wangen und glänzenden Augen ging Marianne zum Klavier. Ihre Mitschülerinnen setzten sich erwartungsvoll um sie herum. Nur Else nahm keinen Anteil. Sie hatte ihre Nase in ein Buch gesteckt und tat, als ob sie läse.
Und dann glitten Mariannes schlanke Finger über die Tasten. Auf dem alten Klavier des Gemeinschaftsraums spielte sie ein Nocturno von Chopin – und die Mädchen lauschten wie verzaubert.
Die letzten Töne verklangen. Einen Augenblick saßen alle schweigend da. Dann sagte Hilda: „Das musst du unbedingt nächste Woche spielen. Ich hab das Stück kürzlich im Radio gehört – aber du hast es viel besser gespielt!“
„Sicher nicht“, sagte Marianne verlegen. „Gut, ich spiele es. Und ich werde auch Geige spielen, wenn ihr es wollt. Ich bitte meine Eltern, dass sie sie mir schicken.“
An diesem Abend um acht Uhr war die Klasse recht aufgeregt. Wenn Else vorhatte, eine Stunde früher ins Bett zu gehen, wie sie eigentlich sollte, dann musste sie jetzt gehen. Aber sie machte keinerlei Anstalten, den Gemeinschaftsraum zu verlassen.
„Schlafenszeit für kleine Mädchen“, fing Carlotta an. Else reagierte nicht. Sie las eifrig weiter.
„Unartige Kinder müssen früh ins Bett“, sagte Bobby mit lauter Stimme. Else rührte sich nicht.
Die Mädchen schauten einander an. Es war ganz offensichtlich, dass sich Else entschlossen hatte zu bleiben. Gestern war sie zu feige, Frau Jenks die Wahrheit zu sagen – und heute wollte sie sich vor der gerechten Strafe drücken.
Zu jedermanns Überraschung ergriff Anne das Wort. „Else“, sagte sie. „Du weißt ganz genau, was du zu tun hast. Sollen wir uns vielleicht für dich schämen?“
„So kannst du nicht mit mir reden!“, sagte Else aufgebracht und blätterte die Seite in ihrem Buch um.
„Doch, das kann ich“, erwiderte Anne ruhig. „Ich bin die Sprecherin der Klasse. Ich habe das Recht, dir zu sagen, was du zu tun hast.“
„Das hast du nicht!“, schrie Else wütend. „Ich bin Klassensprecherin genau wie du!“
„Du bist es nicht mehr!“, schrien alle Mädchen. „Nur Anne hat unser Vertrauen. Dich wollen wir nicht!“
„Das kann nur Frau Jenks entscheiden“, sagte Else und schaute ihre Kameradinnen triumphierend an.
„Vielleicht hast du recht“, meinte Anne ruhig. „Komm mit zu Frau Jenks, wir werden ihr das Ganze erzählen.“
Hilda schaute die dicke Anne bewundernd an. Else zögerte. Anne stand auf und ging zur Tür. „Ich gehe nicht zu Frau Jenks“, sagte Else ärgerlich.
„Das habe ich mir gedacht“, erwiderte Anne und setzte sich wieder hin. „Du hast die Wahl – entweder Frau Jenks entscheidet oder die Klasse. Mir ist es egal, wer es tut.“
„Wir entscheiden – oder wir haben schon entschieden!“, erklärte Jenny. „Anne ist unsere Sprecherin. Dich, Else, wollen wir nicht mehr. Von nun an hat Anne zu bestimmen, was wir tun. Und deshalb wirst du jetzt zu Bett gehen, wie es Anne befohlen hat. Du bist an allem selber schuld!“
Das war zu viel für Else. Sie biss sich auf ihre dünnen Lippen und sagte verächtlich: „Ich gehe nicht – ich denke nicht daran, Anne zu gehorchen. Ihr könnt ja tun, was sie sagt – ich tue es auf jeden Fall nicht!“
„Wie du willst.“ Drohend stand Carlotta auf. „Kommt her, Bobby, Jenny, Zwillinge. Packt Else, wir werden sie die Treppe hinauftragen – hinaufschlagen, wenn es sein muss!“
„Lasst mich los“, schrie Else entsetzt und floh zur Tür. Sie wusste, dass die wilde Carlotta ihre Drohung wahr machen würde. „Ich gehe schon! Aber ich hasse euch – oh, wie ich euch hasse!“
Else brach in Tränen aus und rannte zum Schlafsaal. Als ihre Schritte verklungen waren, setzte sich Carlotta wieder hin.
„Natürlich wollte ich ihr nichts tun“, sagte sie, „aber ich habe mir gedacht, dass wir sie so am leichtesten nach oben bringen.“
„Morgen wird sie sich ganz scheußlich aufführen“, sagte Bobby.
Anne schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie. „Ich kenne Else. Sie wird sich furchtbar leid tun und die Märtyrerin
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