Kein Spaß ohne Hanni und Nanni
spielen. Damit will sie dann unser Mitgefühl wecken.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, meinte Jenny. „Am besten ist es, wir beachten sie nicht. Wir übersehen sie einfach.“
„So machen wir es“, stimmte Anne zu. Sie zog den Handarbeitskorb zu sich her und nahm wieder ihr Strickzeug zur Hand. „Meine Güte“, sagte sie gähnend. „Es ist ganz schön anstrengend, die einzige Klassensprecherin zu sein!“
Anne spricht mit der Direktorin
Am nächsten Morgen wollte Marianne nach Hause telegrafieren und um ihre Geige bitten. Aber vorher musste sie die Direktorin um Erlaubnis dazu fragen. Sie klopfte an Frau Theobalds Tür. Die Direktorin sah verwundert auf.
„Was möchtest du, Marianne?“, fragte sie mit ernstem Gesicht.
„Bitte, Frau Theobald, darf ich ein Telegramm nach Hause schicken?“, bat Marianne.
Die Direktorin betrachtete sie aufmerksam. „Warum denn?“, erkundigte sie sich. „Du weißt doch, dass du bis zum ersten November hierbleiben musst! Wozu also deine Eltern unnötig aufregen!“
„Es hat nichts mit meinem Weggehen zu tun“, sagte Marianne. „Ich – ich möchte nur meine Mutter bitten, meine Geige herzuschicken – das ist alles.“
Die Direktorin war überrascht. „Deine Geige?“, sagte sie. „Wozu? Du hast doch hier keinen Kurs belegt, oder?“
„Nein“, erwiderte Marianne kleinlaut. „Aber jetzt tut es mir sehr leid. Als mein Vater es mir anbot, habe ich aus Ärger abgelehnt. Unsere Klasse veranstaltet einen bunten Abend und ich habe versprochen mitzumachen. Und deshalb brauche ich meine Geige.“
„Du kannst also doch etwas! Erinnerst du dich noch, was ich über schwierige Kinder sagte – dass sie oft ein besonderes Talent haben. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich dir erlauben soll, deine Geige kommen zu lassen. Ich habe gehört, dass du jede Unterrichtsstunde störst. Vielleicht willst du deiner Klasse auch den bunten Abend verderben.“
„Das habe ich bestimmt nicht vor“, erklärte Marianne ernst. „Sie glauben es vielleicht nicht – aber ich habe einen ganz neuen Anfang gemacht. Ich habe einfach genug davon, mich weiterhin so albern aufzuführen.“
„Ich verstehe“, sagte Frau Theobald. „Du führst dich von nun an nicht mehr so übel auf, weil es dir keinen Spaß mehr macht. Ich bin sehr enttäuscht von dir. Ich hatte gehofft, dass du endlich etwas verstanden hättest. Ich dachte, du hättest deine Dummheit und deinen Egoismus überwunden – und zeigtest wirklich ein wenig Verstand. Bitte geh, ich möchte nichts mehr hören!“
Marianne erschrak, als sie die kalte Stimme der Direktorin hörte. Sie öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, aber Frau Theobalds abweisendes Gesicht ließ sie verstummen. Ohne ein Wort verließ sie den Raum.
Frau Theobald dachte eine Weile nach. Dann ließ sie Frau Jenks zu sich rufen. Als die Lehrerin das Zimmer betrat, sagte die Direktorin: „Ich möchte gern mit Ihnen über Marianne Urban sprechen. Bis jetzt habe ich nur Schlechtes über sie gehört. Hat sich in der letzten Zeit etwas verändert?“
„Ja, sie scheint sich plötzlich einzuleben. Ich weiß auch nicht, warum. Fragen Sie aus einem bestimmten Grund? Ich habe Marianne gerade eben gesehen, sie schien geweint zu haben.“
„Schon möglich“, meinte die Direktorin und berichtete Frau Jenks, was vorgefallen war.
„Ich möchte wirklich gern wissen, warum sich das Mädchen plötzlich anders benimmt“, sagte Frau Theobald. „Vielleicht können mir die beiden Vertrauensschülerinnen Auskunft geben. Schicken Sie sie doch bitte zu mir.“
„Zwischen den beiden Sprecherinnen meiner Klasse scheint es eine Auseinandersetzung gegeben zu haben“, sagte Frau Jenks. „Ich glaube nicht, dass Else mit ihren Mitschülerinnen gut auskommt. Aber Anne scheint sich zu machen, sie ist viel selbstständiger geworden und zeigt neuerdings tatsächlich Verantwortungsgefühl. Ich schicke Ihnen die beiden Mädchen her. Vielleicht können sie Ihnen mehr über Marianne sagen. Ich persönlich finde ja, wir sollten ihr eine Chance geben, sich zu bewähren.“
Frau Jenks verließ das Zimmer der Direktorin und ging zum Gemeinschaftsraum.
„Die beiden Vertrauensschülerinnen sollen sofort zu Frau Theobald kommen“, sagte Frau Jenks mit ihrer kühlen Stimme und ging. Stille war eingetreten. Schließlich erhob sich Anne. Else stand gleichfalls auf. Aber schnell wie der Blitz zog Carlotta sie wieder auf ihren Stuhl zurück.
„Du bist keine Vertrauensschülerin mehr,
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