Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
ich hilflos in die finstere Grube stürzte.
Ich fiel wohl höchstens drei Meter tief, doch die Zeit bis zum Aufprall kam mir sehr lang vor. Ich ruderte mit den Armen. Es nützte nichts. Mein Körper landete auf einem Zementboden, beim Aufschlag knallten Ober- und Unterkiefer ungebremst aufeinander.
Ich lag auf dem Boden und blickte nach oben. Über mir fiel die Tür zu. Das war vermutlich ein Vorteil, allerdings herrschte jetzt praktisch völlige Finsternis. Kurz inspizierte ich, wie es mir ging, der Doktor bei der Selbstdiagnose. Mir tat alles weh.
Dann hörte ich wieder die Cops. Das Heulen der Sirenen hatte nicht nachgelassen, vielleicht hatte ich aber auch nur ein Klingeln in den Ohren. Ich hörte viele Stimmen. Und jede Menge rauschende Funkgeräte.
Sie kamen immer näher.
Ich rollte mich auf die Seite, stemmte die rechte Hand auf den Boden, die verletzte Handfläche fing an zu brennen, und mein Körper erhob sich. Der Kopf war etwas langsamer; er protestierte heftig, als ich langsam auf die Beine kam. Fast wäre ich wieder hingefallen.
Und nun?
Sollte ich mich hier verstecken? Nein, das brachte nichts. Irgendwann würden sie anfangen, die Häuser nacheinander zu durchsuchen. Sie würden mich erwischen. Und selbst wenn nicht, war ich schließlich nicht mit der Absicht geflüchtet, mich in einem dunklen Keller zu verstecken. Ich war geflüchtet, um mich am Washington Square mit Elizabeth zu treffen.
Ich musste weiter.
Aber wohin?
Meine Augen hatten sich inzwischen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich ein paar vage Schemen erkennen konnte. Vor mir standen ein paar übereinander gestapelte Kartons. Dazwischen lagen mehrere Haufen Lumpen und ein paar Barhocker und links an der Wand lehnte ein zerbrochener Spiegel. Im Vorbeigehen sah ich mein Spiegelbild und wäre fast einen Schritt zurückgewichen. Eine Schnittwunde zog sich über meine Stirn. Meine Hose war an beiden Knien zerrissen, mein Hemd zerfetzt wie das des Unglaublichen Hulk. Ich war von oben bis unten mit Ruß beschmiert, so dass ich als Schornsteinfeger durchgegangen wäre.
Wo sollte ich hin?
Eine Treppe. Irgendwo musste es hier eine Treppe geben. Ich tastete mich mit spastischen Tanzschritten voran, wobei ich das linke Bein vorschob und wie einen Blindenstock benutzte. Unter meinem Fuß knirschten Glasscherben. Langsam schob ich mich weiter.
Ich hörte ein Brummen und vor mir fing ein riesiger Lumpenberg an, sich zu bewegen. Wie aus dem Grab griff eine Hand nach mir. Ich unterdrückte einen Schrei.
»Himmler mag Tunfischsteaks!«, schrie der Lumpenberg mich an.
Der Mann - ja, jetzt sah ich, dass es sich um einen Mann handelte - stand auf. Er war groß, schwarz und hatte einen so zerzausten weißen Bart, dass man denken konnte, er esse gerade ein Schaf.
»Hörst du?«, schrie er. »Hörst du, was ich sage?«
Er kam auf mich zu. Ich wich zurück.
»Himmler! Er mag Tunfischsteaks!«
Der bärtige Mann war eindeutig wütend. Er ballte die Faust und schlug nach mir. Ohne zu überlegen, trat ich einen Schritt beiseite. Hinter dem Schlag lag so viel Kraft - vielleicht aber auch so viel Alkohol -, dass die Wucht den Mann mitriss. Er fiel vornüber. Ich verlor keine Zeit. Ich entdeckte die Treppe und rannte hinauf.
Die Tür oben war verschlossen.
»Himmler!«
Er war laut, zu laut. Ich drückte gegen die Tür. Nichts.
»Hörst du? Hörst du, was ich sage?«
Es knarrte hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich etwas, das mich bis ins Mark mit Angst erfüllte.
Sonnenlicht.
Jemand hatte von draußen die Tür geöffnet, durch die ich hereingekommen war.
»Wer ist da?«
Eine gebieterische Stimme. Der Strahl einer Taschenlampe tanzte über den Kellerboden. Er erfasste den bärtigen Mann.
»Himmler mag Tunfischsteaks!«
»Schreist du da so rum, alter Mann?«
»Hörst du, was ich sage?«
Ich stemmte meine Schulter mit aller Kraft gegen die Tür. Es knackte im Türrahmen. Ich hatte Elizabeths Bild vor Augen - das vom Computermonitor, wo sie mir mit erhobenem Arm zuwinkte. Ich legte noch mehr Kraft hinein.
Die Tür sprang auf.
Ich stürzte auf den Fußboden, ich war im Erdgeschoss direkt neben der Haustür.
Und nun?
Auch hier waren Cops ganz in der Nähe - wie mir das Rauschen verriet - und der, der die Kellertür geöffnet hatte, sprach noch immer mit Himmlers Biograf. Ich hatte nur wenig Zeit. Ich brauchte Hilfe.
Aber von wem?
Shauna konnte ich nicht anrufen. Die Polizei ließ sie bestimmt nicht aus den Augen. Bei Linda war es
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