Kein Tod wie der andere
sind?«
»Nichts mehr. Da war nichts mehr. Ich habe gedacht, Alex’ Frau wäre wieder zu sich gekommen, hätte ihre Unterlagen eingesammelt und wäre weggegangen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie …«
»Welche Unterlagen sollte sie eingesammelt haben?«
»Sie hatte mit irgendwelchen Blättern herumgefuchtelt, als sie mir vorwarf, ich sei schuld am Tod von Alex und ihrer Tochter. Die waren dann nach ihrem Sturz in der Gegend verstreut.«
»Sie wissen nicht, was für Unterlagen das waren?«
»Nein, ich war doch völlig schockiert, ich hatte doch gerade erst erfahren, dass Alex verunglückt war und seine Tochter auch …«
»Und davon war nichts mehr zu sehen, als sie zurückgekehrt waren?«
»Nein, Sie müssen mir glauben, ich wollte doch nicht … Ich hatte gedacht, sie wäre wieder zu Hause.«
Buhle überlegte, wie er das Gehörte einordnen sollte. Nanette Bonitzer hatte gestanden; aber nur die Auseinandersetzung mit dem Opfer. Wieder schaute er Ducard an, der auch zu überlegen schien. Buhle schätzte den luxemburgischen Kommissar sehr, doch in diesem Moment hätte er lieber Paul Gerhardts neben sich gehabt. Mit ihm verstand er sich ohne Worte, auf sein Urteil konnte er sich stets verlassen. Ducard kannte er dazu noch nicht lange genug.
Er kam zu dem Schluss, dass es letztendlich nur zwei Möglichkeiten gab: Entweder hatte die Bonitzer ihnen ein perfektes Schauspiel geboten, um das Ganze wie einen Unfall darzustellen. Aber daran glaubte er nicht. Er war sich sicher, dass sie nicht mehr gelogen hatte. Oder aber, der Mörder war erst danach gekommen und hatte die Gelegenheit ergriffen, Suzanne Altmüller aus dem Weg zu räumen. Dafür sprach, dass sie ertränkt wurde und nicht ertrunken war. Dafür sprach, dass sie am Tatort nichts mehr gefunden hatten, keine Blätter, die Bonitzer noch gesehen hatte, keine Handtasche, Schlüssel, Papiere. Dafür sprachen die Schuhabdrücke eines Mannes, die die Spurensicherung entdeckt hatte. Dafür sprach der Einbruch in das Haus der Altmüllers noch am gleichen Tag. Der Einbruch: Was hätte Nanette Bonitzer in Merteskaul suchen sollen? Mit dem letzten Gedanken hatte sich Buhle entschieden: Vor ihnen saß nicht die Mörderin, vor ihnen saß nur eine bemitleidenswerte junge Frau.
»Frau Bonitzer?« Buhle wartete, bis sie wieder Blickkontakt mit ihm aufgenommen hatte. »Frau Bonitzer, ich muss Sie noch um einige Dinge bitten, die sicherlich nicht einfach für Sie sein werden. Als Erstes möchte ich Ihnen mitteilen, dass unser Gespräch als Zeugenaussage gewertet wird. Auch wenn Sie das vielleicht nicht so mitbekommen haben, so haben Sie uns mit Ihren Ausführungen weitergeholfen. Wir müssen Sie aber bitten, diese Zeugenaussage noch einmal in einer Polizeidienststelle zu wiederholen und zu Protokoll zu bringen. Damit wir sie später, wenn wir den Täter gefunden haben, auch vor Gericht verwerten können.«
Bei dem letzten Satz hatte Nanette Bonitzer überrascht ihre geröteten Augen ein wenig mehr geöffnet. »Sie halten mich nicht für die Mörderin?«
»Wir können davon ausgehen, dass Suzanne Altmüller nicht aufgrund Ihrer Handgreiflichkeit gestorben ist. Umso wichtiger ist es, dass Sie das Geschehene zu Protokoll geben, genauso, wie Sie es uns eben mitgeteilt haben.«
Buhle sah den entfernten Hoffnungsschimmer in den Augen der jungen Frau.
»Wir benötigen auch Ihre Kleidung, die Sie an dem Tag getragen haben, und diesmal zeigen Sie mir bitte die richtigen Sachen.« Nanette Bonitzer nickte.
»Sonst haben Sie ja am Tatort nichts hinterlassen oder mitgenommen. Das ist richtig, oder?«
Sie schien zu überlegen. »Doch, natürlich. Das Handy. Ich habe das Handy mitgenommen, mit dem Alex’ Frau auch wild rumgefuchtelt hatte. Ich dachte, dann könnte sie nicht mehr nachweisen, dass ich … mit ihm zusammen war.«
Nanette Bonitzer willigte in alles ein. Buhle rief zuerst die Kollegen in der Polizeiinspektion in Merzig an, um sie von der bevorstehenden Zeugenaussage zu unterrichten und um einen Kollegen zu bitten, die Aufzeichnung zu übernehmen. Als Nächstes rief er in Absprache mit seiner Tochter Franz Bonitzer an.
Der Unternehmensberater fiel aus allen Wolken. Als Buhle ihm aber mehrmals erklärt hatte, dass seine Tochter lediglich Zeugin und keine Täterin sei, beruhigte er sich und versprach, sofort vorbeizukommen. Dass er seinen Anwalt vorab verständigen und hinzubitten wollte, hatte Buhle ohnehin schon angenommen.
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Bertrange; Mittwoch, 15.
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