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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Juni
    Eric Dardenne hatte viel beobachtet in den letzten Wochen. Was ihm geholfen hatte, seinem Ziel näher zu kommen. Doch diese unseligen Begleitumstände schienen sich zusehends zu verselbstständigen. Er hatte seine Talente nutzen können. Hatte immer schon besser kombinieren und reagieren können als andere, weil er nicht nur weit vorausschaute, sondern sich auch in andere hineinversetzen konnte. War den anderen stets einen Schritt voraus gewesen, war schon immer da gewesen, wenn die anderen erst ankamen. Wenn er nur nicht so ungeduldig wäre, was hätte er für einen Strategen abgegeben! Doch nun gewannen die Ereignisse eine Dynamik, der er nicht mehr zu folgen vermochte. Er hätte dazu an mehreren Orten gleichzeitig sein müssen. Und er wusste nicht, welche Baustellen sich noch unverhofft auftun würden.
    Gestern Abend hatte Kristin ihm dann diese schreckliche Botschaft übermittelt. Nachdem sie endlich mal für zwei Stunden auf dem Sofa liegen geblieben war, ohne auf die Toilette zu rennen, hatte sie ihm mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Er war zum Glück vorbereitet gewesen und gab mit leidlichem Erfolg vor, dieses unsägliche Glück mit ihr zu teilen. Doch dann war klar geworden, dass sich die unliebsamen Auswirkungen unmittelbar einstellten. Sie offenbarte ihm, dass sie wegen der Übelkeit vorerst nicht arbeiten gehen könne. Er sah ihre Enttäuschung, als er auf die viele Arbeit verwies, die ihn in den nächsten Wochen stark außerhäuslich binden würde. Er dachte sofort daran, dass er nun ihre beruflich bedingte Abwesenheit nicht nutzen konnte, um in Nachtschichten die verlorene Arbeitszeit des Tages nachzuholen.
    Es war ohnehin ein kleines Problem geworden, dass seine Fehlzeiten in der Firma aufgefallen waren. Er hatte es mit der notwendigen Ruhe in dieser entscheidenden Forschungsphase begründet, die er in der Firma so nicht finden könne. Ohne den Hoffnung erweckenden Zwischenbericht, den er über das Pfingstwochenende gegen den Widerstand von Kristin geschrieben hatte, hätte ihn sein Chef jetzt wahrscheinlich unter Beobachtung. Aber er hatte ihn überzeugt, sehr überzeugt sogar, und somit einen Freibrief für die nächsten Wochen erwirkt. Das hatte ihn regelrecht beflügelt. Sein Chef wusste nun definitiv, dass mit ihm zu rechnen war. Der Dämpfer war dann am vergangenen Abend von seiner Frau gekommen. Er musste Kristin unbedingt überzeugen, dass er auch die Nächte durcharbeiten musste. Vielleicht sollte er ihr sagen, er würde vorarbeiten, damit er mehr Zeit hätte, wenn das Kind da sei. Das war eine gute Idee. So würde sie es schlucken. Sie würde sich nicht über das Kind stellen.
    Aber er brauchte noch mehr gute Ideen. Spätestens nach dem heutigen Tag. Wie war die Polizei nur so schnell auf Altmüllers Geliebte gekommen? Was wussten die? Was wusste sie? Was konnte sie ihnen erzählt haben? Es hatte ihn fast wahnsinnig gemacht, als die beiden Männer sie aus ihrer Wohnung abgeholt hatten, nachdem sie sich dort endlos aufgehalten und die Kleine in die Mangel genommen hatten. Wie ein Häufchen Elend hatte sie dagesessen. Genau wie damals, als der Kerl sie verlassen hatte. Er musste wissen, was sie wusste. Musste wissen, welche Rolle Bonitzer bei der Polizei spielte.
    Er hatte auf der Rückfahrt nicht die Autobahn genommen. War über die Landstraßen Richtung Luxemburg gejuckelt, hatte bei Remich Mosel und Grenze passiert. Danach war er hinter den Lac des Hirondelles runter von der N 2 und auf immer kleinere Straßen ausgewichen. Wollte einfach nur fahren, weil er nachdenken musste.
    Hinter Dalheim hatte ihn dann Reno angerufen. Er war in einen Waldweg abgebogen, um in Ruhe den nebulösen Andeutungen des Laboranten zuzuhören. Irgendetwas schien auch bei ihm passiert zu sein. Etwas, das ihn mal wieder äußerst nervös gemacht hatte. Letztendlich war alles Renos Schuld gewesen. Hätte er damals richtig gehandelt, wäre nichts passiert, gar nichts.
    Das Waldgebiet nördlich des Ortes Dalheim kannte er aus seiner Kindheit. In dem Dorf hatte seine Tante mit ihrer Familie gewohnt, und er hatte mit seinen beiden Cousins den Wald mit den spannenden Namen »Napoleonshut« und »Verbrannte Bësch« unsicher gemacht. Er stieg aus, folgte dem Waldweg und erkannte auf Anhieb, wo er war.
    Er musste wieder seine Stärken ausspielen, musste wieder einen Schritt voraus sein. Zuerst würde er sich Bonitzer vornehmen, dann Reno, dann vielleicht auch noch die anderen. Er hatte genug gelesen, er wusste genug

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