Kein Tod wie der andere
kopfschüttelnd auf Buhles letzten Satz geantwortet hatte, war er wieder im Haus verschwunden. Buhle musste einen Moment überlegen, was er eben noch hatte tun wollen. Er rief Gerhardts an und berichtete vom Gespräch mit Stefanie Brodersen. Gerhardts versprach, sich darum zu kümmern.
Keine zehn Minuten später rief ihn Jeunesse ins Haus hinein. Er hielt ihm Überzieher für die Schuhe und Einmal-Handschuhe hin und forderte ihn auf, mitzukommen. Sie gingen an den Leuten der Spurensicherung vorbei in das Büro von Eric Dardenne.
»Schau mal, was wir hier gefunden haben.« Jeunesse zeigte auf einen Karton, der auf dem Schreibtisch stand. Der Deckel war bereits abgenommen worden. Es befanden sich eine ganze Reihe von beschriebenen und bedruckten Seiten darin.
»Ihr habt sie schon durchgeschaut?«
»Ja, alles Notizen über unser Staatslabor, über Viren, über Biowaffen und so weiter. Interessant ist auch, dass ein paar Seiten verschmutzt sind. Auf einer dieser Seiten hatte jemand notiert, wie man am besten in Hochsicherheitslabore hineinkommen könnte. Zu einer der Möglichkeiten war ein Name notiert: Nanette.«
»Die könnte also Suzanne Altmüller bei sich gehabt haben.«
»Möglich.«
»Und die Handschrift?«
»Ist nicht von Dardenne. Wir haben hier etwas von ihm vorgefunden und verglichen. Kennst du die Schrift von Altmüller?«
»Na ja, die Unterlagen von ihm hat Michael Reuter durchforstet. Er ist zurzeit bei euch in der Stadt. Ich werde ihn anrufen, dass er herkommt und sich die Sachen anschaut.«
»Okay. Aber ich finde zwei Dinge komisch. Erstens: Das Büro ist unglaublich ordentlich und sauber. Die Betonung liegt auf unglaublich. Und zweitens: Ich vermute, dass der Karton längere Zeit woanders stand, wo er zunächst etwas verstaubte, und jetzt wieder entstaubt wurde. Außerdem ist er eigentlich viel zu groß für die Anzahl an Seiten.«
»Du sagtest, es seien nur Unterlagen über Viren da. Ihr habt keine über das Bitburger Flughafenprojekt gefunden?«
»Eben nicht.«
In diesem Moment überfiel auch Buhle ein mulmiges Gefühl.
Als Buhle Reuter anrief, war dieser schon auf dem Weg nach Bertrange. Sie hatten vergeblich versucht, Thill zu erreichen, und jetzt war gerade ein Streifenwagen dorthin unterwegs. Buhle teilte seinem Kollegen in wenigen Worten mit, was sie in Dardennes Büro gefunden hatten. Reuter stellte auf seine Art sofort die richtige Schlussfolgerung auf: »Dardenne ist überfallen worden. Ihr habt dort keine Unterlagen zum Bitburger Projekt gefunden. Sobothy hatte einen Termin mit Thill und ist davon nicht zurückgekehrt. Das hört sich echt scheiße an.«
»Ja, vor allem weil Paul Feilen mir heute Mittag offenbart hat, dass Asiaten häufiger in Merteskaul waren und auch das Haus der Altmüllers durchsucht haben. Und Alexander Altmüller hatte Hannah Sobothy ausdrücklich vor einem Chinesen namens Sun Shiwen gewarnt, das war mir erst vorhin wieder eingefallen. Wenn du dir die Unterlagen hier angeschaut hast, fahren wir rüber zu Thill. Bist du allein unterwegs?«
»Nein, ich habe einen netten Fahrer.«
»Gut, sorge dafür, dass er den Weg zu Thill kennt. Bis gleich.«
Er rief Ducard an. Der hatte noch keine weiteren Informationen zu dem luxemburgischen Investor erhalten, war aber ebenso beunruhigt und befürwortete Buhles Fahrt nach Bridel. Er selbst wollte noch Reuters Urteil zu den Unterlagen abwarten und dann Dardenne verhören, egal was die Ärzte dagegen einzuwenden hatten. Buhle wusste, dass Letzteres eher Wunschdenken war.
Nachdem Reuter die Handschrift zu neunzig Prozent als Altmüllers identifiziert hatte, machten sie sich auf den direkten Weg zu Thills Wohnort. Von den Schutzpolizisten hatten sie bereits die Rückmeldung bekommen, dass auch auf mehrmaliges Klingeln hin keiner aufmachte. Sie würden aber vor Ort auf ihn warten. Dann versuchte er, Stefanie Brodersen zu erreichen. Sie ging beim ersten Klingeln ran und hörte sich noch besorgter an als zuvor. Eine Nachricht von Hannah Sobothy hatte sie immer noch nicht erhalten. Es war nun schon nach einundzwanzig Uhr.
Natürlich öffnete auch keiner, als Buhle auf Thills Klingel drückte. Das Tor zur Zufahrt war verschlossen und das ganze Grundstück mit einer hohen Mauer eingefriedet. Buhle klingelte schließlich bei einem der Nachbarhäuser. Eine sichtlich betuchte Frau öffnete ihm. Entweder war sie keine Luxemburgerin, oder sie gehörte zu der Minderheit, die kein Deutsch sprach. Doch mit Hilfe des jungen
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